Hashtag #FreeRapunzel

Rapunzel starrte auf ihr Handy. Drei Tage lang hatte sie nichts gepostet. Keine Stories, keine Livestreams, kein Drama-Video. Und jetzt? Jetzt war sie wieder in den Trends. Aber nicht, weil sie etwas getan hatte. Sondern weil das Internet es für sie tat. #FreeRapunzel war überall.

Twitter:

»Habt ihr gesehen, dass sie seit Tagen nichts mehr postet? Gothel hat sie sicher zum Schweigen gebracht!«

Instagram:

»Ernsthaft, wie kann sie sich verteidigen, wenn sie nicht mal rauskommt? Sie ist im wahrsten Sinne des Wortes gefangen!«

TikTok:

Videos mit dramatischer Musik, in denen Leute Theorien aufstellten:

Wurde Rapunzel von Gothel gefeuert?

Wird sie im Turm festgehalten? Ist das ganze Märchen eine riesige PR-Lüge?

Sogar Memes tauchten auf: »Rapunzel postet nicht. Polizei eingeschaltet.«

»Wenn du REAL bist, blinzel zweimal!« Rapunzel ließ das Handy sinken. »Das kann doch nicht wahr sein.« Sie hatte nichts gesagt, nichts getan – und doch hatte sich die Geschichte verselbstständigt. Jetzt war sie plötzlich nicht mehr die »Lügnerin«, nicht mehr die »Fake-Influencerin«, sondern… das Opfer?

Sie wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Sie erinnerte sich noch genau, wie alles angefangen hatte. Sie war der Star. Der Mythos. Die Influencerin mit der perfekten Märchenwelt. Und dann – BOOM. Der Skandal. Die Leute wollten sie fallen sehen. Aber jetzt? Jetzt war sie die Unterdrückte. Die Frau im Turm. Die, die sich nicht selbst verteidigen konnte. Und die Leute liebten es, für eine Sache zu kämpfen. Egal, ob sie wirklich Hilfe brauchte oder nicht. Sie scrollte durch die Nachrichten. Tausende Follower forderten Gothels Kopf. »Rapunzel gehört niemandem! Lass sie frei!« »Hat sie überhaupt eine Wahl, ob sie Influencerin sein will?!«

»Gothel hat zu viel Kontrolle! Wir müssen Rapunzel retten!« Rapunzel sog scharf die Luft ein. Das war… gefährlich. Nicht nur für Gothel – die definitiv nicht begeistert sein würde –, sondern auch für sie selbst. Denn wenn sie ehrlich war… War sie wirklich gefangen? Oder hatte sie sich längst freiwillig in diesen Turm gesperrt? »Gothel?« Ihre Managerin drehte sich langsam zu ihr um, das Glas Rotwein wie immer elegant in der Hand. »Liebes, wenn du mich fragst, ob du gehen darfst, dann hast du die Frage nicht verstanden.« Rapunzel verschränkte die Arme. »Also darf ich gehen?« Gothel lachte leise. »Du kannst jederzeit gehen.« »Aber dann verliere ich alles.« Gothel nippte an ihrem Wein. »Genau.« Stille. Rapunzel wusste es längst. Der Turm war kein Gefängnis aus Stein. Es war ein Gefängnis aus Erwartungen. Ihr Image, ihr Ruhm, ihre ganze Existenz basierte darauf, dass sie die Rapunzel war. Die mystische, unantastbare, fast magische Figur. Sobald sie den Turm verließ, war sie nichts weiter als… eine Frau mit einer Internetvergangenheit. »Was willst du also tun?«, fragte Gothel schließlich. Rapunzel sah auf ihr Handy. #FreeRapunzel. Ein Hashtag, der nicht von ihr kam. Aber vielleicht… konnte sie ihn nutzen. Rapunzel öffnete Instagram Live. Die Zuschauerzahl schnellte sofort in die Höhe. Zehntausende warteten darauf, dass sie sprach. Sie atmete tief durch.

Dann sagte sie langsam: »Also… ihr wollt mich befreien?« Stille. Dann explodierte der Chat. »JA!« »Sag uns, was wir tun sollen!« »Wo bist du genau?!« Rapunzel lächelte leicht. »Okay. Dann lasst es uns tun.« Das Internet war ein Spiel. Und sie hatte gerade beschlossen, selbst die Regeln zu schreiben. Hashtag #FreeRapunzel. Hashtag #MalSehenWasPassiert.

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