Der Prinz ist auch nur ein Influencer

Rapunzel hatte sich ihren Prinzen immer irgendwie… anders vorgestellt.

Nicht, dass sie aktiv davon geträumt hatte, dass ein Kerl auf einem weißen Pferd vorbeigeritten kam, um sie zu retten – aber wenn sie es sich hätte aussuchen können, dann wäre er kein Influencer gewesen. Und doch saß sie jetzt hier, in einem Video-Call mit Prinz Theodor, der in seinem perfekt ausgeleuchteten Schlosszimmer saß, ein Mikrofon vor sich und einen charmanten Grinser im Gesicht, während er sagte: »Also, Leute, heute habe ich etwas Großes für euch. Ihr wollt Drama? Ich liefere!« Rapunzel massierte sich die Schläfen. »Theodor, was machst du?« Er zwinkerte in die Kamera. »Ich rede mit dir – und mit meinen 2,3 Millionen Followern. Doppelte Reichweite, doppelter Spaß.«

Natürlich. Natürlich war er nicht nur ein Prinz. Natürlich hatte er einen riesigen Social-Media-Account. Natürlich war er einer dieser Leute, die jeden Moment ihres Lebens in Content verwandelten. Rapunzel hatte sich in den letzten Wochen so sehr mit ihrem eigenen Skandal beschäftigt, dass sie völlig übersehen hatte, dass er mittlerweile ebenfalls im Rampenlicht stand. Prinz Theodor, Thronfolger eines mäßig relevanten Königreichs, war plötzlich in den Trend-Charts aufgetaucht – als »der Typ, der mit Rapunzel chattet«. »Theodor, sag mir bitte, dass du mich nicht gerade als Content benutzt.« Er lachte. »Oh, Rapunzel. Jeder benutzt jeden als Content. Das ist das Spiel.« »Ich dachte, du wärst anders.« »Ich auch.« Er lehnte sich in seinem luxuriösen Ledersessel zurück. »Aber wenn die ganze Märchenwelt mich schon als deinen geheimen Retter sieht – warum das nicht ausnutzen?« Die Follower liebten ihn. »Endlich ein Kerl, der es mit Rapunzel aufnehmen kann!«

»So ein Power-Couple!« »Ich shippe es! #TheoPunzel« Rapunzel konnte gar nicht so oft mit den Augen rollen, wie sie wollte. Sie wusste, wie das laufen würde. Die Leute würden ihn feiern – als den coolen, bodenständigen, witzigen Prinzen. Während sie? Sie war immer noch die »Lügnerin«, die sich aus ihrem eigenen Skandal herauswinden musste. »Also, was ist dein Plan?«, fragte sie und verschränkte die Arme. »Ganz einfach«, sagte Theodor grinsend. »Ich baue dich wieder auf.« »Ach, du rettest mein Image?« »Genau.« Er zeigte mit beiden Händen auf sich selbst. »Ich bin der smarte, lockere, charmante Kerl, der dich wieder sympathisch macht. Wir posten ein paar harmlose Flirt-Videos, zeigen der Welt, dass du eine lustige, coole Seite hast – und BAM, alle haben dich wieder lieb.« Rapunzel schüttelte ungläubig den Kopf. »Du willst also meine PR-Strategie sein?«

»Korrektur: Ich will dein Love Interest sein. Es gibt nichts, was das Internet mehr liebt als ein perfektes Märchenpaar.« Sie schnappte nach Luft. »Nein.« Er lachte. »Doch. Funktioniert immer. Die Leute vergessen jedes Drama, wenn sie stattdessen an eine epische Lovestory glauben können.« Rapunzel rieb sich die Schläfen. Natürlich lief es darauf hinaus. Natürlich war er nicht einfach nur ein netter Typ mit schlechtem WLAN gewesen. Natürlich war das hier nur eine neue PR-Kampagne.

»Theodor«, sagte sie langsam, »du bist der wandelnde Beweis dafür, dass das ganze Märchen-System eine einzige inszenierte Lüge ist.« »Und du bist die wandelnde Erinnerung daran, dass wir alle nur so lange existieren, wie der Algorithmus uns mag.« Sie musterten sich einen Moment lang. Dann sagte Theodor: »Also… willst du das jetzt durchziehen oder nicht?« Rapunzel biss sich auf die Lippe. Sie hätte ablehnen können. Hätte sich komplett aus dem Game zurückziehen können.

Aber wenn sie eines gelernt hatte, dann das: Man spielt das Spiel – oder man wird gespielt. Sie nahm ihr Handy, öffnete die Kamera und sagte: »Na schön, Prinz. Dann gib mir dein bestes Flirt-Game.« Hashtag #PRinceCharming. Hashtag #WennSchonFakeDannStylisch.

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