7.

Im Schlafzimmer

Jule warf sich mit einem tiefen Seufzen auf das Bett, das Gesicht in das Kissen gedrückt. Ihre Gedanken überschlugen sich.

„Was denkt er sich nur… dass er mir einfach so nahe kommen kann?!“

Sie erinnerte sich an seinen Blick, seine Berührungen, den Moment, als er sich ihr genähert hatte, fast um sie zu küssen.

„Aaah! Was tut er nur!“ schrie sie leise in das Kissen und schlug wütend darauf ein, als ob es ihn ersetzen könnte.

Im Wohnzimmer

Julian saß wieder auf seinem Platz, sein Laptop blieb unbeachtet. Seine Gedanken hingen an ihren letzten Worten.

„Ich habe das Gefühl, dass du manchmal vergisst, dass ich kein Kind bin.“

Dieser Satz hallte in seinem Kopf wider wie ein Echo, das nicht zu verstummen schien.

Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht, langsam, als wollte er den Knoten in seinem Inneren glätten.

Er sah auf die geschlossene Tür.

Warum nur… warum kann ich sie nicht einfach besser verstehen?

Er hatte nicht beabsichtigt, sie zu verletzen. Nicht mit Nähe. Nicht mit Kontrolle. Und doch hatte er es getan.

Er stand auf, ging zur Küche, schenkte sich ein Glas Wasser ein – doch der Durst ging tiefer.

Er spürte, dass er einen Schritt auf sie zugehen musste, nicht als Lehrer, nicht als Planer, sondern als Mensch, als Mann, der sie liebt – und manchmal einfach nur… überfordert ist.

Er stellte das Glas ab, ging leise zur Schlafzimmertür, klopfte leicht.

„Jule…“

Keine Antwort.

Er lehnte die Stirn kurz gegen die Tür.

„Es tut mir leid.“

Innen lag sie mit offenem Blick im Dunkeln. Ihr Herz klopfte schneller.

Seine Stimme – leise, ehrlich – traf sie härter als jeder Streit.

Aber sie sagte nichts. Noch nicht.

...****************...

Am frühen Morgen, gegen fünf Uhr

Der Wecker klingelte schrill in Jules Zimmer.

Sie öffnete langsam die Augen, gähnte und richtete sich auf. Ohne ein Wort machte sie sich fertig, duschte, zog sich an – und als sie um halb sieben die Tür öffnete, traf sie auf ein unerwartetes Bild:

Julian, zusammengesunken, den Rücken an den Türrahmen gelehnt, schlief tief.

Er war offenbar die ganze Nacht dort geblieben.

Jule blieb kurz stehen, seufzte leise und schüttelte den Kopf.

Warum macht er sowas?

Doch sie sagte nichts, trat vorsichtig über ihn hinweg, nahm ihre Tasche und verließ das Haus.

Die kühle Morgenluft traf ihr Gesicht, als sie in den Bus stieg – und erst da vibrierte ihr Handy.

Nachricht von Ebru:

– Guten Morgen, kommst du heute zur Schule?

– Guten Morgen, ja. Bin unterwegs.

– Warum warst du gestern nicht da?

– Ich war krank.

– Hat Herr Dennis dich denn entschuldigt?

– Ist mir egal. Er hat mich eingetragen, nicht ich.

– Er liebt dich wirklich, weißt du das?

– Heh. Wenn das Liebe ist, will ich sie nicht.

– Was ist passiert? Warum bist du so wütend?

– Ich bin nicht wütend. Ich hasse nur, dass sich mein Leben so verändert hat.

– Beruhig dich. Wir reden, wenn du da bist.

– Okay.

...----------------...

Als sie die Schule erreichte, entdeckte Jule ihre Freundin Ebru auf dem Pausenhof, wo sie bereits auf sie wartete.

Sie ging zu ihr und setzte sich neben sie.

„Hey, wie geht’s dir?“

„Besser. Und dir?“

„Auch gut… aber ich bin ein bisschen müde.“

„Ich auch – aber ich musste vor ihm aufstehen.“

„Wie hältst du das aus? Wirst du nie müde davon?“

„Nein, ich langweile mich nicht. Wir reden sowieso kaum zu Hause…“

Jule hatte Ebru bereits früher von ihrer Beziehung mit Herr Dennis erzählt.

Ebru war zunächst überrascht, aber sie hatte schon immer das Gefühl, dass da etwas zwischen den beiden war – deshalb akzeptierte sie es und behielt es für sich.

Was letzte Nacht passiert war, war ihr zu peinlich, um es zu erzählen – manche Dinge bleiben besser zwischen Ehemann und Ehefrau.

In der siebten Stunde stand Sportunterricht auf dem Plan.

Sie mussten die Übungen im Geräteturnen absolvieren. Jule war erschöpft, rang nach Luft, während sie versuchte, auf dem Seil stehen zu bleiben.

Am Ende der Stunde begannen alle, ihre Sachen zu packen und sich auf den Heimweg zu machen. Es war Freitag – der letzte Schultag vor den Winterferien.

Am späten Nachmittag – Zuhause

Jule öffnete langsam die Haustür. Die Wohnung war still, nur ein schwacher Kaffeeduft hing noch in der Luft.

Sie zog ihre Jacke aus, hängte sie an den Haken, und ließ ihre Tasche achtlos auf das Sofa fallen.

Als sie in die Küche trat, bemerkte sie einen kleinen Zettel auf dem Tisch – handgeschrieben, in seiner ordentlichen, klaren Schrift:

„Ich habe heute nicht gekocht. Ich dachte, du willst selbst entscheiden, was du essen willst… oder ob wir Pizza bestellen. Ich bin im Arbeitszimmer – wenn du willst.“

Sie seufzte leise – nicht genervt, sondern wegen dieses leisen, kaum greifbaren Gefühls… dass er sie langsam wirklich zu verstehen begann.

Sie ging nicht sofort zu ihm. Stattdessen nahm sie sich ein Glas Wasser, lehnte sich an die Küchentheke und ließ den Tag nochmal Revue passieren.

Ihre Gedanken kreisten um ihn – seine Blicke, seine Worte… und die Schwäche, die er endlich gezeigt hatte.

Schließlich ging sie leise den Flur entlang.

Sie klopfte nicht, sondern öffnete die Tür einen Spalt und steckte vorsichtig den Kopf hinein.

Er saß da, über Unterlagen gebeugt, die Brille auf der Nase, ein Stift zwischen den Fingern. Er sah auf.

„Hey“, sagte sie leise.

„Hey“, erwiderte er überrascht – aber mit einem sanften Ausdruck.

„Ich… ich will Pizza.

Er nickte nur, sagte nichts weiter. Der Raum war still – kein Streit, keine Erklärung. Nur dieses Schweigen, das manchmal mehr sagte als Worte.

„Warum hast du dort geschlafen?“ fragte sie plötzlich, ohne ihn anzusehen.

„Ich wollte sicherstellen, dass es dir gut geht.“

„Und hast du das?“

„Ich glaube… du wolltest nur deine Ruhe. Ich hätte das respektieren sollen.“

Sie schloss die Augen für einen Moment. Die Kälte, die zwischen ihnen geherrscht hatte, war nicht weg – aber sie war… weicher geworden.

„Du bist manchmal schwer zu verstehen“, murmelte sie.

„Ich weiß. Aber ich versuche, nicht immer der Lehrer zu sein.“

Jule trat vom Türrahmen zurück, ihre Stimme war kaum hörbar.

„Ich hasse es, wenn du so distanziert bist.“

Er sah sie ruhig an. „Ich dachte, du brauchst Abstand.“

„Vielleicht. Aber nicht diesen.“

Ein paar Sekunden vergingen. Dann ging sie langsam an ihm vorbei, ohne ihn zu berühren, aber nah genug, dass er ihren Duft bemerkte.

Auf halbem Weg drehte sie sich noch einmal zu ihm um.

„Wenn du mich verstehst, dann… zeig es nicht mit Noten.“

Er antwortete nicht direkt – nur ein leichtes Nicken. Ein leiser Hauch von Reue in seinem Blick.

Sie verschwand in ihrem Zimmer. Die Tür blieb offen.

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