Er sagt "Bro", ich fühl "Mehr"

Es ist erstaunlich, wie ein einziges Wort so viele Emotionen auslösen kann.

“Bro”. Ein harmloses, beiläufiges Wort, das für ihn so normal ist wie ein Schulterklopfen. Aber für mich ist es anders.

Luca sagt es oft, zu mir und zu anderen, als wäre es nur ein Geräusch zwischen den Sätzen. Aber wenn er es zu mir sagt, klingt es anders. Oder bilde ich mir das nur ein?

Heute war so ein Tag, an dem ich es wieder gehört habe – zu oft, zu deutlich. Und jedes Mal bohrte sich dieses “Bro” tiefer in meine Gedanken, wie ein Echo, das einfach nicht aufhören will.

Wir saßen in der Cafeteria. Ich hatte eigentlich keinen Hunger, aber ich wollte neben ihm sitzen. Allein das war schon genug Grund. Er grinste, schob mir einen Apfel über das Tablett und sagte: “Iss was, Bro. Du siehst aus, als würdest du gleich umkippen.”

Ich lachte, aber nicht, weil es lustig war. Sondern weil mein Herz sich an das Wort festklammerte. “Bro”.

Das klingt nach Kumpel. Nach nur Freundschaft. Nach Distanz. Aber da war nichts in seinen Augen, das nach Distanz aussah.

Ich beobachtete ihn. Seine Hände, wie sie über das Display seines Handys glitten. Die Art, wie er sich in seinem Stuhl zurücklehnte, als gehöre ihm der Raum. Und dann sah er mich an – direkt, offen, warm. “Du bist heute wieder still, Bro. Was geht in deinem Kopf ab?”

Da war es wieder. Dieses “Bro”. Und alles in mir schrie: Sag was. Irgendwas. Sag ihm, dass du fühlst. Dass du ihn siehst. Anders als alle anderen. Aber ich konnte nicht. Ich war eingefroren.

Ich lächelte und sagte: „Ich bin einfach etwas müde und habe viele Gedanken im Kopf.“ Er nickte verständnisvoll. „Das kenne ich.“

Doch Luca, du verstehst das nicht wirklich. Du verstehst nicht das Gefühl, jemanden ansehen zu wollen, ohne dass es jemand merkt. Du verstehst nicht das Gewicht, das mein Herz bei jedem Blick beschwert. Du verstehst nicht das ständige Wechselspiel zwischen Hoffnung und Angst. Oder vielleicht doch, und du sagst es nur nicht.

Nach dem Essen gingen wir gemeinsam raus. Er warf mir seinen Hoodie zu und sagte: „Zieht voll durch heute, Bro. Du bibberst ja schon.“

Ich hätte ihn am liebsten festgehalten. Einfach so. Nur kurz. Nur einmal spüren, wie es ist, sich nicht zurückhalten zu müssen.

Ich zog seinen Hoodie über meinen eigenen. Er roch nach ihm – frisch, warm und irgendwie sicher.

Wir setzten uns auf die Treppe hinter der Turnhalle, dort, wo keiner hinkam.

Ich wollte reden. Ich hatte so viel in mir. Alles drängte raus. Aber dann fing er an zu erzählen – von einem Mädchen, das ihn angeschrieben hatte.

„Sie ist cool, weißt du? Nicht so wie die anderen. Total entspannt.“

Ich lächelte. Automatisch. Innerlich sackte etwas in mir zusammen.

Nicht aus Eifersucht. Nicht, weil ich wollte, dass er nur mich sieht. Sondern weil ich plötzlich wusste, dass ich nie die Person sein würde, von der er so redet.

Ich würde nie das Mädchen sein. Ich würde nie „cool“ sein im klassischen Sinn. Ich würde nie entspannt über meine Gefühle sprechen können, ohne zu denken, dass ich alles zerstöre, was wir haben.

Er sah mich an, und ich spürte seine Aufrichtigkeit. Er wollte teilen, offen und freundlich sein.

„Du bist mein bester Bro, Mann“, sagte er mit einem Grinsen.

Ich nickte. „Klar. Ich auch.“

Doch innerlich dachte ich: Nein, Luca. Ich fühle kein Bro. Ich fühle… Mehr.

Ich wusste nicht, was das bedeutete, aber ich spürte, wie meine Kraft schwand, gegen mein eigenes Herz zu kämpfen.

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