Freitag 21:17

„Das ist eine dieser Uhrzeiten, in denen nichts Besonderes passiert – außer vielleicht alles. Es ist spät genug, dass der Tag hinter dir liegt, aber zu früh, um ihn ganz loszulassen. Die Welt wird langsamer, die Stimmen leiser, die Masken schwerer. Und ich liege auf meinem Bett, das Display meines Handys hell im dunklen Zimmer, mein Herz irgendwo zwischen Ruhepuls und Alarmzustand.

Luca hat geschrieben.

Nur ein kurzes: „Bist du noch wach?“

Ich habe den Satz fünfmal gelesen, bevor ich überhaupt geantwortet habe. Nicht, weil er kompliziert war, sondern weil ich nicht wusste, was er bedeutet.

Es ist seltsam, wie ein einziger Satz einem das Gefühl geben kann, gesehen zu werden, und gleichzeitig Angst machen kann, dass jemand zu genau hinsieht.

Ich tippe zurück: „Klar. Was geht?“

Er schreibt: „Nichts. Ich konnte irgendwie nicht schlafen. Dachte, vielleicht bist du auch wach.“

Ich starre auf den Chat. Diese zwei, drei belanglosen Zeilen – sie bedeuten eigentlich nichts. Könnten nichts bedeuten. Aber mein Kopf macht daraus ein ganzes Drehbuch.

Er denkt an mich. Er schreibt mir.

Er könnte jedem schreiben, aber er schreibt mir.

Ich schreibe: „Same. Mein Kopf ist zu voll.“

Er: „Wegen der Schule oder… generell?“

Ich: „Generell.“

Punkt. Nicht mehr. Ich lasse den Satz stehen wie einen offenen Raum. Vielleicht geht er weiter. Vielleicht auch nicht.“

Seine Antwort kommt schneller, als ich erwartet habe: „Ich auch. Irgendwie hab ich heute in Deutsch gedacht… du hast mich verstanden. Bei dem Text. Keine Ahnung, ob das komisch klingt.“

Mein Herz schlägt lauter, nicht schneller.

Ich atme tief durch und schreibe zurück: „Nein. Ist nicht komisch. Ich hab’s wirklich verstanden.“

Er antwortet: „Manchmal hab ich das Gefühl, ich laufe durch die Schule und alle sehen nur, was sie sehen wollen. Aber nicht, was wirklich da ist.“

Ich lese den Satz und plötzlich ist es nicht mehr dunkel in meinem Zimmer. Da ist Licht. Zwischen den Zeilen. Echtes Licht.

Ich tippe: „Ich weiß genau, was du meinst.“

Und ich meine es. Ich meine es so sehr, dass es fast wehtut.

Dann schreibt er nichts mehr. Für zwei Minuten. Fünf. Sieben. Ich lege das Handy neben mich und starre an die Decke. Ich sage nichts. Denke nur: Bitte bleib. Schreib noch was. Gib mir irgendwas, das echt ist.

Dann vibriert es.

„Denkst du manchmal, du bist nicht der, für den dich alle halten?“

Ich antworte nicht sofort. Ich atme. Ich lese es mehrmals. Und ich weiß, dass ich jetzt zwei Möglichkeiten habe:

Wegducken oder ehrlich sein.

Und ich schreibe: „Eigentlich immer.“

Senden. Zu spät zum Zurückholen.

Dann Stille. Nur mein Atem. Mein Herz. Die Uhr auf meinem Nachttisch.

21:17 Uhr. Ein ganz normaler Moment. Und gleichzeitig einer, den ich vielleicht nie wieder vergesse.

Dann kommt nur ein Wort zurück:

„Danke.“

Kein Emoji. Kein „lol“. Kein Ausweichen.

Ein Danke.

Ich weiß nicht genau, wofür ich es sage, aber ich spüre den Drang, es ebenfalls zu sagen.

Also antworte ich: „Dir auch.“

In diesem Moment, für einen flüchtigen Augenblick, fühle ich mich nicht mehr ganz so allein.

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