Playlist für einen Nervenzusammenbruch

Ich glaube nicht an Horoskope, aber wenn heute jemand behauptet hätte, die Sterne stünden schlecht, hätte ich nur zustimmend nicken können. Der Tag war ein einziger Sturz in Zeitlupe. Als ich endlich zu Hause ankam, die Tür hinter mir schloss, das Licht ausschaltete und mir einen Hoodie über den Kopf zog, wurde mir klar: Wenn ich heute nicht innerlich explodiere, dann vielleicht nie.

Ich warf mein Handy aufs Bett, ließ mich rücklings danebenfallen und starrte an die Decke. Hinter meinen Augen spürte ich dieses vertraute Dröhnen.

Nicht weinen. Noch nicht. Aber ich war an diesem Punkt, kurz davor. Dem Punkt, an dem alles in dir schreit, aber kein Ton rauskommt.

Ich griff nach meinem Kopfhörer und steckte sie in die Ohren, als wären sie mein Rettungsseil. Ich öffnete Spotify und begann zu scrollen.

Ich habe eine Playlist, die ich „Falls ich irgendwann zusammenklappe“ genannt habe. Damals war der Name ironisch gemeint, aber jetzt ist er nicht mehr so lustig.

Ich klickte auf Shuffle.

Der erste Song war „Everything I Wanted“ von Billie Eilish. Perfekt. So traurig, dass es fast beruhigend war. Ich schloss die Augen und hörte die Zeile „If I could change the way that you see yourself…“ und dachte: Ich wünschte, ich könnte mich sehen wie jemand, der es wert ist, geliebt zu werden.

Ich atmete langsam ein und zählte innerlich. 4 Sekunden einatmen, 7 Sekunden halten, 8 Sekunden ausatmen. Ich hatte das irgendwo im Internet gelesen, aber es half nicht.

Nächster Song.

Song 2: Lewis Capaldi – „Before You Go“

Meine Gedanken schweiften zu Mia, Leo und Luca. Ich dachte an mich selbst und an all die Teile von mir, die ich verstecke. Ich dachte an all die Gespräche, die ich nie geführt habe, und an all die Male, in denen ich fast ehrlich war, aber dann doch nicht konnte.

„Wäre es besser, wenn ich gar nichts sagen würde?“ Ja, vielleicht.

Songwechsel.

Song 3: Girl in Red – „We Fell In Love In October“

Ich bin mir nicht sicher, ob ich jemals verliebt war. Aber bei Luca ist da etwas. Etwas, das sich nicht in Schubladen einsortieren lässt. Etwas, das wehtut, ohne dass es wehtun müsste.

Ich dachte an gestern. Seine Stimme vor der Klotür. „Ich fand’s mutig.“

Ich fühlte mich nicht mutig. Ich fühlte mich kaputt. Wie ein Puzzle, bei dem die Ränder fehlen und niemand weiß, was überhaupt drauf soll.

Ich starrte an die Decke, während der Song weiterlief, und spürte, wie sich die Tränen in meine Augen drückten. Nicht wegen eines bestimmten Satzes oder einer Person, sondern wegen allem.

Wegen mir.

Ich war müde. Nicht körperlich, sondern müde von mir selbst. Müde vom Verstecken, von der ständigen Kontrolle, vom Versuch, alles zu sein, was alle anderen brauchen, und dabei selbst immer weniger zu werden.

Song 4: FINNEAS – „Let’s Fall in Love for the Night“

Dieser Song klingt wie Hoffnung. Wie ein letzter Lichtstrahl, der durchs Fenster fällt, obwohl draußen längst Nacht ist.

Ich saß auf, rieb mir die Augen. Mein Hals tat weh vom Nicht-Sprechen. Mein Kopf brummte.

Und dann… öffnete ich die Notizen-App. Ich schrieb. Nicht viel. Nur das:

Ich weiß nicht, wer ich bin.

Ich weiß, dass ich so nicht weitermachen kann. Ich will nicht jeden Tag kämpfen, nur um so zu tun, als wäre alles in Ordnung. Ich will atmen dürfen, lieben dürfen, ohne Angst. Ohne Maske, ohne Lügen. Vielleicht ist das zu viel verlangt, aber vielleicht ist es auch genau das, was ich verdiene.

Ich speicherte die Playlist und ließ den letzten Song zu Ende laufen.

Song 5: Phoebe Bridgers – „Motion Sickness“. Perfekt. Zerbrechlich, scharf, ehrlich.

Genau wie ich an diesem Abend. Allein, mit einer Playlist für einen Nervenzusammenbruch. Und dem schwachen Gefühl, dass vielleicht – ganz vielleicht – danach etwas Neues beginnen kann.

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