Ep.5

Siena

In der Abenddämmerung, nachdem ich mit dem Aufräumen der Hütte fertig bin, zünde ich eine Öllampe an, die ich hier gefunden habe. Das schwache, flackernde Licht erhellt den Raum und wirft tanzende Schatten an die Wände aus altem Holz. Ich spüre die Müdigkeit schwer auf meinen Schultern lasten, aber für Jasmine bleibe ich standhaft.

„Sie, ich habe Hunger. Gibt es etwas zu essen?“, fragt Jasmine und reibt sich die Augen, was darauf hindeutet, dass nicht nur der Hunger, sondern auch die Müdigkeit sich bemerkbar macht.

„Wir haben Kekse. Ich hole dir welche“, sage ich und gehe zu meinem Rucksack.

Als ich den Rucksack öffne, entdecke ich eine kleine Tüte mit etwas zerdrückten Keksen. Ich schlucke trocken und denke darüber nach, wie wir hier ohne ausreichend Nahrung überleben sollen.

„Hier, Kleine“, sage ich und gebe sie ihr.

Sie nimmt die Tüte und fängt an zu essen. Dann hält sie inne und sieht mich an.

„Sie, du isst nichts. Willst du nicht? Ich kann mit dir teilen.“

Ich küsse sie auf den Kopf und antworte flüsternd:

„Ich bin nicht hungrig, Jasmine. Iss, ohne dir Sorgen zu machen, okay?“

Sie nickt, und während ich ihr beim Essen zusehe, denke ich an alles, was wir schon durchgemacht haben, an all die Ablehnung, die wir im Waisenhaus erfahren haben. Manchmal frage ich mich, warum wir in diese Welt hineingeboren wurden. Schmerz, Ablehnung, Verlassenheit - das ist alles, was ich und sie kennen. Tränen steigen mir in die Augen, als ich daran denke.

„Warum weinst du, Sie? Liegt es an den Keksen?“, fragt sie und sieht mich mit ihren unschuldigen Augen an.

Angesichts ihrer Unschuld im Gegensatz zur Schlechtigkeit der Welt bringe ich ein kleines Lächeln zustande.

„Keine Sorge, Jasmine. Es liegt nicht an den Keksen. Aber alles wird gut werden, iss jetzt einfach auf.“

Sie nickt und isst zu Ende. Wir sitzen auf einem alten Teppich in der Hütte. Sie steht auf und setzt sich auf meinen Schoß, und ich schließe sie in meine Arme.

„Sie, du bist wie die Feen aus den Geschichten, die du mir im Waisenhaus vorgelesen hast“, sagt sie und berührt mein Gesicht mit ihren kleinen Fingern.

Ich wische mir die letzten Tränen aus dem Gesicht und muss bei ihren Worten lächeln.

„Ich bin weit davon entfernt, eine Fee zu sein, Kleine. Feen sind magisch, verzaubert. Ich bin nur... ich.“

Jasmine legt ihren Kopf an meine Brust, und ihr Körper entspannt sich in meinen Armen. Ich spüre das Gewicht ihres Vertrauens in mich, und das gibt mir die Kraft, weiterzumachen.

„Aber für mich bist du magisch, Sie. Du beschützt mich immer“, murmelt sie, schon halb im Schlaf.

Ich streichle ihre goldenen Locken und spüre die Geschmeidigkeit der Strähnen zwischen meinen Fingern. Die Welt da draußen mag grausam sein, aber hier in dieser Hütte werde ich uns beiden ein Refugium schaffen. Auch wenn ich nicht weiß, was die Zukunft für uns bereithält, bin ich entschlossen, alles in meiner Macht Stehende zu tun, um sie zu beschützen.

Während die Nacht hereinbricht, höre ich eine leise Bewegung außerhalb der Hütte. Meine Sinne sind geschärft, aber die Erinnerung an Derek beruhigt mich ein wenig. Er hat uns beschützt, und so sehr ich seinen Motiven auch misstraue, möchte ich glauben, dass er uns in Sicherheit bringen wird.

Ich lehne meinen Kopf an die Holzwand und versuche, Trost in dem Gedanken zu finden, dass wir vielleicht, nur vielleicht, einen Ort gefunden haben, den wir unser Zuhause nennen können.

„Gute Nacht, Kleine“, flüstere ich Jasmine zu und schließe die Augen in der Hoffnung, dass der Schlaf mich, wenn auch nur für ein paar Stunden, davontragen wird.

Aber dieser Werwolf... Derek... Sein Name hallt immer noch in meinen Gedanken wider, vermischt mit dem Versprechen von Schutz und der Hoffnung auf einen Neuanfang.

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