3. Kapitel (2/2) von wie man 13 wird und überlebt

9.00 UHR

Dad hat gerade ungefähr neuntausend Grusel-Bücher auf mein Bett geworfen. Die Geschichten sind oft weit von der Wahrheit entfernt, du darfst sie nicht zu ernst nehmen. Aber vielleicht macht es dir ja Spaß, etwas über deine Vorfahren zu lesen. Ich habe dir alle Vampirgeschichten angestrichen.<<<

>>>Witzig«, sage ich. >>Die meisten Eltern versuchen ihre Kinder eher davon abzuhalten, zu viele Horrorgeschichten zu lesen.<

>>Wir sind nun mal nicht wie die meisten Eltern, stimmt's?<< Dad kichert. Er und Mum haben immer noch unglaublich gute Laune.

11.15 UHR

Hab das Lesen schon wieder aufgegeben. Kein Zweifel: Vampire sind fiese, schlecht gelaunte, Blut saugende Spinner. Und sie sind die ganze Zeit total düster. Am liebsten würde ich ihnen zurufen: Macht euch mal locker, Leute! Ich meine, hast du schon mal einen Vampir einen Witz erzählen hören? Dabei ist Lachen das Geheimnis des Lebens. Daran glaube ich, ganz ehrlich!

Überleg doch mal - was sind die einzig guten Momente in der Schule? Wenn du mit deinen Kumpels herumblödelst und Bauchschmerzen vor Lachen bekommst. Diese lustigen Augen-blicke helfen dir, den ganzen traurigen Rest durchzustehen.

Und ich blödle ständig herum, weshalb ich die komplett falsche Persönlichkeit für einen Vampir habe. Natürlich weiß ich, dass mir ein Vampirzahn aus dem Mund hängt. Aber das hat nichts mit mir zu tun. Es ist, als würde man plötzlich Windpocken bekommen, nur dass ich eben einen spitzen Eckzahn bekommen habe.

Ich betrachte den Zahn ständig im Spiegel. Erst fand ich den Anblick ziemlich aufregend. Ich hab sogar ein bisschen ange geben, stimmt's? Aber jetzt muss ich dauernd daran denken, was passieren würde, wenn mich jemand aus meiner Klasse sieht. Sie würden um ihr Leben lauten, oder? Na ja, Joel viel leicht nicht. Aber selbst er würde sich in meiner Nähe ziemlich unwohl fühlen. Und wer könnte es ihm verdenkent

Ich bin einfach nicht mehr ich selbst. Stattdessen habe ich mich in ein widerliches Monster verwandelt. Und es gibt nichts, was ich dagegen tun kann.

20.35 UHR

Heute Abend durfte ich aufstehen. Habe mich nach unten ge schleppt und mit meinem süßen kleinen Vampirzahn ein bisschen ferngesehen. Als ich gerade dabei war, mich wieder ein klein wenig normal zu fühlen, erhob sich Dad.

>>Wir haben ein Geschenk für dich, Markus.<<<

>>Immer her damit<«, sagte ich.

Dad trat vor, während Mum lächelnd hinter ihm stand. >>Das ist für dich, mein Sohn.<< Er zog einen weißen Umschlag aus der Hosentasche und überreichte ihn mir.

Ich warf einen Blick darauf und schnupperte. »Rieche ich da etwa Geld?<<

>>>Es ist etwas viel Wertvolleres«, erwiderte Dad.

>>Hm, ich weiß noch nicht, ob mir das gefällt. Ich riss den Umschlag auf. Er enthielt eine Karte, auf der nur ein einziges Wort in großen, roten Buchstaben stand...

VED.

Sag mir, was du siehst, forderte Dad mich auf.

Ist das ein Sehtest?«, fragte ich. Da steht

VED.

Wie spricht man das aus?«, fragte Dad.

Ved, nehme ich an.

Dad und Mum grinsten einander zu. »Zu unserer großen Freude können wir dir mitteilen, dass dies dein neuer Name ist, verkündete Dad. >>Er wurde an deinem dreizehnten Ge burtstag von der Vereinigung der Halbvampire extra für dich ausgewählt.<<<>

>>>Ved?«, rief ich. »Was für ein selten dämlicher Name! Das ist ein Witz, oder?«

>>>Rede keinen Unsinn, Schatz<<«, sagte Mum. »Ved ist dein richtiger Name. Von nun an werden wir dich abends, wenn wir unter uns oder in Gesellschaft anderer Halbvampire sind, Ved nennen.<<<

>>>Oh nein, bitte nicht!«, stöhnte ich. »Ich hasse diesen Namen!<<<

Aber meine Eltern redeten einfach weiter, als hätte ich nichts gesagt. >>Es ist ein ausgezeichneter Name<<, stellte Dad fest.

>>Ja, so wunderbar einfach«, fügte Mum hinzu.

Das machte mich noch wütender. Schließlich sprang ich auf und drückte Dad die Karte in die Hand. »Wenn du den Namen so toll findest, kannst du ihn gerne haben!<<<>

Das Funkeln, das den ganzen Tag in Dads Augen gelegen hatte, erlosch plötzlich. »Deine Mutter und ich, wir haben unsere Halbvampir-Namen bereits. Und eines Tages, wenn wir denken, dass du bereit dafür bist, wirst auch du uns mit diesen Namen ansprechen.<<<>

Wann auch immer das sein wird, sagte ich. Ganz im Ernst, besorgt mir einen anderen Umschlag, sucht einen besseren Namen für mich. Wie wär's mit Brad? Ich finde, das passt irgendwie zu mir.

Dein Name ist Ved.« Dad wurde allmählich ein bisschen ärgerlich. »Ehre diesen Namen heute Abend, indem du kurz vor dem Schlafengehen laut sagst: Ich bin Ved. Sag es jetzt.<

Ich sah ihn an. »Tut mir leid, aber ich hasse diesen Namen.< Mum seufzte. »Irgendwann wirst du ihn als wesentlichen Teil deiner Identität akzeptieren.<<<

>>An diesem Tag werde ich nicht mehr ich selbst sein«, sagte ich. >>Sondern nur noch ein Klon meiner Eltern. Und ich bin gerne ich. Okay, manchmal bin ich vielleicht ein Idiot, aber im Großen und Ganzen halte ich mich für einen ganz annehmbaren Typen. Und so will ich auch bleiben.<<<

Dann stürmte ich nach oben.

21.05 UHR

Gerade haben mich Mum und Dad in meinem Zimmer besucht. Es sollte offenbar eine Art Friedensmission sein.

>>Alles in allem finden wir, dass du die Situation sehr gut bewältigst<«, lobte mich Mum. »Dein Eckzahn wird um Mitternacht wieder verschwinden.<<<

>>Und was passiert als Nächstes mit mir?<<<

>>Dich wird ein heftiges Verlangen überkommen«, erklärte Mum.

>>>Was?<< Ich starrte sie an.

>>Möglicherweise fühlst du dich unwiderstehlich zu Friedhöfen hingezogen<«, fuhr Mum fort. »Vielleicht versuchst du sogar, dort zu schlafen.<<<

Das ist ja ekelhaft!«, stöhnte ich.

Keine Sorge, es dauert nur ein paar Tage. Mum klang völlig unbekümmert. »Normalerweise zumindest.

Und was genau mache ich auf dem Friedhof, wenn mich dieses Verlangen überkommt?«

Du läufst ein bisschen durch die Gegend«, sagte Dad, Vielleicht fängst du auch an zu singen.«

>>Das darf doch nicht wahr sein!, rief ich. »Das ist eine absolute Katastrophe!<

>>Ich war damals ganz verrückt nach Fledermäusen, erinnerte sich mein Vater lächelnd. >>Hab stundenlang versucht, eine zu fangen, um sie als Haustier zu halten.<<

>>Ich werde bestimmt nicht singend über einen Friedhof rennen oder mich mit Fledermäusen anfreunden<«, sagte ich fest.

>>Nun ja, manchmal machen Halbvampire auch ...", begann Dad, doch Mum schüttelte den Kopf und er verstummte. Dann sagte er: >>Doch warum sollten wir dich unnötig beunru-higen? Bei dir wird es sicher nicht so sein.<<<<

>>Was?«, fragte ich.

Dad lächelte. »Ich habe schon genug gesagt - sogar mehr, als das Handbuch rät.<<<<

>>Ich kann's kaum erwarten<«, murmelte ich.

>>Keine Sorge, es ist bald so weit<«, sagte Mum. »Das Verlangen müsste dich gleich morgen früh überkommen. Gute Nacht, Ved.<<<

>>Wer ist Ved?«, fragte ich. >>Nie gehört.<<<>

>>Tu mir einen Gefallen, Ved«, begann Dad.

>>Nur, wenn du mir zuerst einen Gefallen tust<«, erwiderte ich. Hör auf, mich Ved zu nennen.<<<

Ved!, brummte Dad. Ich möchte dir einen wichtigen Rat geben, also hör mir ausnahmsweise einmal zu. Was auch immer passiert, versuche nicht, deine Vampir-Seite zu unterdrücken.

Nein, sagte Mum besorgt. Das darfst du niemals tun!

Wieso?«, fragte ich. Was passiert dann?<<

Einen Moment herrschte absolute Stille und etwas blitzte in Mums Augen auf. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es Angst war.

Angst! Aber warum?

Ich weiß, dass du vernünftig sein wirst«, sagte Dad schließlich. Und du kannst gleich damit anfangen, indem du mehrmals hintereinander >Ich bin Ved< sagst. Willst du das für uns tun?«

Und noch einmal herrschte absolute Stille.

21.45 UHR

Ich glaube, ich weiß jetzt, warum Mum bei meiner Frage Angst bekommen hat.

MEINE ELTERN WISSEN, DASS ICH DIE VERWANDLUNG IN EINEN HALBVAMPIR AUFHALTEN KANN. ES IST NOCH NICHT ZU SPÄT. NOCH HABE ICH DIE KRAFT, SO ZU BLEIBEN, WIE ICH BIN.

Ganz bestimmt habe ich die Wahl. Natürlich gibt es Leute, die liebend gern ein halbes Monster wären - Tallulah zum Beispiel. Sie würde übrigens einen prima Vampir abgeben, weil sie überhaupt keinen Sinn für Humor hat und ständig schlecht gelaunt ist.

Auch meine Eltern scheinen eine Menge Spaß an ihrem Halbvampir-Dasein zu haben. Was für mich völlig in Ordnung ist, ich bin schließlich ein toleranter Mensch.

Aber für mich ist das nichts.

Und hier kommt mein schlauer Plan, Blog. Ab sofort werde ich heimlich alles tun, was in meiner Macht steht, um meine Verwandlung in einen Halbvampir zu stoppen.

Auf die Plätze, fertig, los!

21.55 UHR

>>Ich bin nicht Ved. Ich bin nicht Ved.<<<<

Diesen Satz sage ich immer wieder laut vor mich hin.

22.50 UHR

>>Ich bin nicht Ved. Ich bin nicht Ved.<<<

Ja, ich sage es immer noch.

FREITAG, 5. OKTOBER

3.25 UHR

Wurde gerade davon geweckt, dass meine Eltern mit einer Taschenlampe neben meinem Bett standen und mich anstarrten.

Ich blinzelte müde. >>Ihr habt bestimmte einen guten Grund für euer merkwürdiges Verhalten. Ich bin mir nur nicht sicher, ob ich ihn wissen will.<<<<

>>Entschuldige, Schatz<«, sagte Mum leichthin. >>Wir wollten nur schnell nachsehen, ob ... Oh, hier ist er ja, auf deinem Kopfkissen.<< Vorsichtig hob sie meinen weißen Eckzahn auf.

>>Wir werden ihn gut für dich aufbewahren.<<<

>>Vergesst nicht, ihn immer ordentlich zu gießen. Übrigens, warum nennt ihr ihn nicht Ved?<<<

Das ist für dich. Dad legte einen Fünf-Pfund-Schein auf meinen Nachttisch. Für einen weißen Eckzahn bekommst du funf Pfund und rate mal, wie viel du für deinen gelben Eckzahn bekommst? - Fünfzig Pfund!

Aber der gelbe Eckzahn wächst dir erst, wenn die Verwandlung in einen Halbvampir abgeschlossen ist, erinnerte mich Mum.

Also werde ich niemals in den Genuss dieser fünfzig Pfund kommen.

>>Und mach dir keine Sorgen wegen morgen, fügte Mum noch hinzu. »Wenn dich das Verlangen überkommt, sind wir

hier und helfen dir.<<<

7.05 UHR

Ich glaube nicht, dass ich mit irgendeinem wilden Verlangen aufgewacht bin, aber sicherheitshalber frage ich mich noch einmal selber:

>>Markus, möchtest du singend auf einem Friedhof herumspringen und dich mit den dort ansässigen Fledermäusen anfreunden?<<

>>Auf keinen Fall!<<<<

>>Verspürst du sonst ein Verlangen?<<<

>>>Nur ein einziges - und das ist echt abgefahren: Ich will wieder in die Schule.<<><>

Das ist mir noch nie passiert. Aber gerade jetzt möchte ich einfach nur in meinen ganz normalen, extrem langweiligen Alltag zurück. Es ist mir sogar egal, wie öde der Unterricht ist. Alles ist besser, als in diesem Gruselkabinett festzusitzen.

8.00 UHR

Mum und Dad waren ziemlich überrascht, als ich in kompletter Schuluniform nach unten kam.

Eigentlich wollten wir dir noch einen Tag freigeben«, sagte Mum.

Wisst ihr, Schule ist spitze und ich möchte keine einzige Millisekunde mehr verpassen.<<<

Meine Eltern starrten mich an.

>Ich denke, es wäre klüger, noch einen Tag zu warten<«, erwiderte Mum schließlich. »Bis wir abschätzen können, wie sich dein Verlangen entwickelt.<<<<

>>Ich habe kein Verlangen«, sagte ich fest.

>Noch nicht, erwiderte Dad eifrig. »Aber im Lauf des Tages könnte dich eins überkommen.<<<

>Ich schaffe das schon<«, behauptete ich. >>Ganz ehrlich.<<<>

Und das werde ich auch.

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Comments

Anso

Anso

Ich supported mich damit selbst 🤣

2025-08-24

2

Anso

Anso

👍

2025-08-24

2

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