KAPITEL
8.95 UHR
Bin noch im Bett. Mum meinte, ich könnte heute vermutlich nicht zur Schule gehen - und sie hat recht. Ich bin eine wandelnde Stinkbombe. Wenn ich jemanden anhauche, fliegt ihm vor Schreck glatt die Nase weg.
Woher kommt denn dieser schreckliche Gestank?«, fragte ich Mum.
Das ist völlig normal und natürlich, antwortete sie fröhlich. Der Geruch ist ein Zeichen dafür, dass der menschliche Teil von dir sich dem Eindringen deiner neuen Vampir-Seite widersetzt. Aber du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Ich habe schon den Arzt angerufen.<<<
>>Unseren Hausarzt?«, fragte ich.
Nein, Doktor Jasper.« Mum lächelte. »Wir können ihm vertrauen, er weiß alles über uns.<
9.25 UHR
Dr. Jasper war ein kleiner Gnom mit einem großen, strahlenden Gesicht. »Ah, hier ist der junge Mann - du meine Güte, was für ein Gestank!<< Er setzte sich einen Mundschutz auf und kicherte. »Ich kann dich immer noch riechen, und das ist ein sehr gutes Zeichen.<<<
>>Tatsächlich?«, fragte ich.
>>Oh ja, und jetzt öffne bitte weit den Mund. Er sah durch ein Vergrößerungsglas und nickte begeistert. »Ausgezeichnet, ausgezeichnet! Alles ist genauso, wie es sein soll. Und nun trink das. Er reichte mir ein Glas mit einer sprudelnden Flüssigkeit.
Äh - was ist das?«, fragte ich. >>Etwas, das mir hilft, ein hübscher, großer Vampir zu werden?<«
>>>Was bist du doch für ein Plappermaul! Los jetzt, keine Fragen mehr, runter damit.<<<
Widerstrebend trank ich die sprudelnde Flüssigkeit. Sie war sehr heiß und schmeckte nach gar nichts.
>>Nun«, sagte Dr. Jasper. >>Du hast auf das Eindringen deiner neuen Seite reagiert. Darum müsste dir bald sehr übel werden.<<<
>>>Oh, toll<«, sagte ich.
>>>Das ist nicht sehr angenehm, ich weiß. Aber das Leben besteht nun mal aus lauter kleinen Problemen und es bringt nichts, deswegen herumzujammern, nicht wahr? Dein Körper ist gerade ein Schlachtfeld, auf dem sich deine menschliche Seite und deine Vampir-Seite gegenüberstehen. Aber letzten Endes wird wieder Frieden einkehren. Auf Wiedersehen, Markus, und mit etwas Glück wächst dir morgen dein Eckzahn.<<<
>>Heißt das, ich bin jetzt ganz sicher ein Halbvampir?«, fragte ich Mum später.
>>Daran gibt es nicht den geringsten Zweifel<«, antwortete Mum und glühte dabei förmlich vor Freude.
13.30 UHR
Gerade musste ich mich schon wieder übergeben. Ich hoffe, das war's jetzt, denn ich bezweifle stark, dass ich mich noch mal ins Bad schleppen kann. Bin total am Ende.
16.00 UHR
Ich war gerade eingeschlafen, als Mum mit einem weiteren Glas von dieser ekligen Medizin hereinkam.
>>Weißt du was?«, sagte ich. »Wenn ich die Wahl hätte, würde ich jetzt lieber in einer Doppelstunde Mathe sitzen, ganz ehrlich. Nur damit du weißt, wie schlecht es mir geht.<<<
>>Diese Phase ist die schlimmste«, sagte Mum. »Aber das ist es wert.<<<<
>>>Tatsächlich?<«, fragte ich. »Ich wollte ja schon eine Menge in meinem Leben werden, einschließlich Tierarzt, Fußballer, Astronaut und professioneller Schokoladen-Testesser. Aber ich hab mir nie auch nur eine Sekunde lang gewünscht ein Vampir, Halbvampir, Viertelvampir oder Einmillionstelvampir zu sein. Gibt es denn gar keine Möglichkeit, die Verwandlung zu stoppen und wieder ein normales menschliches Wesen zu werden?<<< Wahrscheinlich war das nicht gerade die taktvollste Bemerkung, die ich meiner Mutter gegenüber je gemacht habe, aber ich war krank, ich habe gestunken und ich hatte total die Nase voll.
Mums Lächeln erstarb. »Dein Vater und ich, wir sind sehr stolz darauf, Halbvampire zu sein. Und ich hoffe, du wirst es bald auch sein.<<<
16.45 UHR
Der Doktor war gerade wieder hier und hat mich noch mal untersucht. >>Du machst sehr gute Fortschritte.<< Er lächelte mich strahlend an. >>Den restlichen Nachmittag wird es dir richtig mies gehen. Also versuche, ein bisschen zu schlafen, wenn du kannst. Und Kopf hoch dies ist ein wundervoller Tag!<<>
Tatsächlich?
Ja, denn heute hat die Magie deiner Verwandlung begonnen.
18.00 UHR
Sorry, bin zu schwach zum Schreiben. Morgen Eckzahn.
DONNERSTAG, 4. OKTOBER 7.45 UNR
Der schlechte Geruch ist verschwunden. Dafür juckt jetzt mein Gesicht wie verrückt. Fühlt sich an, als hätte ich Windpocken, Masern und schlimmen Sonnenbrand gleichzeitig. Bin sofort zum Spiegel gerannt. Mein Gesicht ist knallrot! Wenn es noch etwas röter wäre, könnte ich als Verkehrsampel anfangen. Meine Augen sind blutunterlaufen.
Und an meine Oberlippe schmiegt sich ein glänzend weißer Eckzahn. Ich nehme nicht an, dass dir schon mal ein spitzer Eckzahn gewachsen ist, Blog. Ich sag's dir, das haut einen ganz schön um. Wenn ich eine dritte Hand bekommen hätte, wäre ich kaum schockierter. Der Zahn fühlt sich sehr solide und kräftig an. Ich muss ihn dauernd anfassen, um mich davon zu überzeugen, dass er tatsächlich da ist. Und das ist er. Er ist wirklich da. Ich bin überwältigt und entsetzt und irgendwie auch stolz, alles auf einmal. Sehr, sehr seltsam.
Auftritt meiner Eltern.
>>Oh nein, sieh dir das an!«, ruft Mum. »Was für ein wundervoller Eckzahn - einer der schönsten, die ich je gesehen habe!«
Ehrlich? Trotz allem fühle ich mich ein bisschen geschmeichelt. Du meinst also, es ist gute Qualität?<<
Für einen ersten Eckzahn ist er ganz hervorragend«, versichert Mum.
Man tut, was man kann«, sage ich. >>Ein cooler Typ wie ich kann schließlich nicht mit einem zweitklassigen Eckzahn durch die Gegend laufen.<<<
Dann fangen wir alle drei wie verrückt an zu kichern. Und ich denke, dass meine Eltern zum ersten Mal in meinem Leben richtig stolz auf mich sind. Sie strahlen förmlich vor Begeisterung.
Dürfen wir ein Foto von dir machen?«, fragt Dad. >>Für das Familienalbum im Keller?<<<<
>>Ich wusste gar nicht, dass wir ein geheimes Fotoalbum haben«, sage ich.
Es gibt noch einiges, was du nicht weißt ... Mum lacht vergnügt. >>Eigentlich sollten wir tagsüber ja nicht über diese Dinge sprechen, aber es ist schließlich eine ganz besondere Gelegenheit.<<<
Kurze Zeit später knipst Mum ein Foto nach dem anderen und ich posiere sogar ein bisschen - ein Junge und sein Eckzahn-, du weißt schon ... Aber eigentlich weißt du es nicht, oder Blog? Haha.
Doch plötzlich fühle ich mich, als würde ich jeden Moment in Ohnmacht fallen.
>Du bleibst heute im Bett<«, ordnet Mum an. »Der neue Zahn hat dich deine ganze Energie gekostet.<< Sie seufzt. >>Was für ein Jammer, dass er heute Nacht schon wieder ausfällt.<<<
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