Anderes Welt: Besessen von einem besitzergreifenden Werwolf

Ep.9

Ich stand auf und ging jetzt im Kreis herum. Und wie eine Verrückte redete ich weiter mit diesem Wolf, als könnte er mich verstehen. Oder vielleicht fühlte ich mich frei, weiterzusprechen, weil ich wusste, dass er mich nicht verstehen würde.

— Er war der dümmste Kerl, den ich kannte, als ich hier ankam, aber ich weiß nicht, warum seine Art mich so bewegt hat. Er brachte mein Blut zum Kochen. — Ich habe ein dummes Lächeln im Gesicht. Dessen bin ich mir sicher. — Aber nach und nach zeigte er mir eine andere Seite, eine sanfte, ritterliche, aufmerksame Seite, die mich für sich einnahm. Und mir wurde klar, dass ich für ihn all das empfand, was ich mir zuvor gewünscht hatte. Vielleicht fühle ich mich deshalb so schuldig, weil ich mich gegen etwas auflehne, zu dem ich von klein auf erzogen wurde: meine Verpflichtung gegenüber dem jungen Mann, den diese Organisation für mich ausgewählt hat.

Aber dann atmete der Wolf aus, als würde er schnauben und mir sagen, dass dies ein idiotischer Gedanke sei, oder vielleicht wollte ich nur glauben, dass er mir das sagen würde. Ich ging noch ein paar Schritte mutig auf ihn zu, und ehe ich mich versah, glitt meine Hand über sein Fell.

Ich strich über sein weißes Fell, obwohl meine Hände zitterten. Ich hatte mir vorgestellt, dass es grob sein würde, aber ich lag völlig falsch. Es war seidig, weich, glatt im Griff, was mich überraschte, wenn man bedachte, wie wild er aussah. Oder war das nur eine Erfindung der Menschen, um sie zu jagen? Ehrlich gesagt, wollte ich diese Theorie lieber nicht testen.

Er beobachtete mich nur, während ich mit meinen Händen über ihn strich und ihn bewunderte. Selbst so daliegend war er so groß. Wieder wandte er seinen Kopf mir zu, was mich erschreckte und mich erneut erstarren ließ. Doch er leckte einfach die Seite meines Arms ab, was mich dazu brachte, ihn anzulächeln. Also hob ich meine Hand an seinen Hals und streichelte ihn dort, und er schloss einfach die Augen und genoss es, was mich wieder zum Lachen brachte.

— Scheint, als hättest du meine Liebkosung genossen, nicht wahr, Großer? Ich glaube, wenn Logan mich hier mit dir sehen würde, würde er mich für verrückt erklären, weil ich einem Tier so nahe gekommen bin, das mich leicht hätte verschlingen können. Am Anfang denke ich, dass er das von mir dachte, aber ich bin zuversichtlich, dass ich seine Meinung geändert habe. Weißt du, Großer, was ich mir so sehr gewünscht habe zu fühlen... jetzt macht es mir Angst. — Er wandte seinen Kopf ab, und ich lehnte mich an ihn. — Du musst denken, dass ich eine Närrin bin, nicht wahr? Wie kann man sich etwas so sehr wünschen und nun Angst davor haben, es zu erleben? Und wenn er nicht dasselbe empfindet? Ich will unsere Freundschaft deswegen nicht verlieren. Hier zu bleiben, nachdem ich abgewiesen wurde, wäre Masochismus. Denn ich weiß, dass ich leiden würde, aber wohin sollte ich sonst gehen? Nach Hause zurückkehren und mich den Konsequenzen stellen? — Er schnaubte wieder und brachte mich zum Lachen. — Ich beginne zu glauben, dass du mich verstehst, Großer. Nun, jetzt muss ich zurück. Ich glaube, ich war schon zu lange weg. Sie werden anfangen zu glauben, dass mir etwas zugestoßen ist. Es war sehr schön, deine Gesellschaft hier zu haben, anders als ich dachte, bist du gar nicht so furchterregend.

Ich streichelte ihn noch einmal und entfernte mich. Als ich ein Stück weit entfernt war, bemerkte ich, dass er sich in den Wald begab und einfach verschwand. Mein Herz zog sich zusammen. Ich fragte mich, ob ich die Chance haben würde, ihm wieder nahe zu kommen, ohne gefressen zu werden. Es mochte Dummheit sein, so zu denken, aber ich genoss seine Gesellschaft in diesem Moment, auch wenn er nichts verstand und mir keinen Rat geben konnte. In diesem Moment hörte ich ein ohrenbetäubendes Heulen aus der Richtung, in die er gegangen war, und es jagte mir keinen Schauer mehr über den Rücken, sondern zauberte mir nur ein breites Lächeln ins Gesicht.

Als ich vor dem Anwesen der Grannus ankam, traf ich auf Logan. Er musterte mich von Kopf bis Fuß, und obwohl ich bekleidet war, fühlte ich mich wie nackt unter seinem Blick. Ich fragte mich, ob er auf mich gewartet hatte oder ob es nur ein Zufall war.

Er kam auf mich zu, und in diesem Moment raste mein Herz, meine Hände begannen zu schwitzen und eine Kälte breitete sich in meinem Bauch aus. Würde ich das jedes Mal fühlen, wenn er sich mir näherte? Doch bevor er etwas sagen konnte, öffnete sich die Tür des Hauses.

Eine breit lächelnde Ayla kam heraus und ging auf uns zu. Sie sagte, ihre Mutter rufe uns in den Garten hinter dem Haus. Mir fiel auf, dass Logan es nicht mochte, von seiner Schwester unterbrochen zu werden, aber sie schenkte ihm keine Beachtung, nahm meine Hand und zerrte mich mit sich.

Als wir dort ankamen, wo ihre Familie war, war ich überrascht von einer Feuerstelle und einem Tisch mit verschiedenen Häppchen. Da waren noch andere Familien, die ich nicht kannte, aber Ayla stellte mich ihnen gleich vor und bezog mich in das Gespräch mit ein.

Paul nahm sofort meine Hand und zog mich zum Tanzen in die Mitte, zu einem Lied, das gerade spielte. Allerdings war ich es nicht gewohnt zu tanzen, also entschuldigte ich mich schnell und sah den anderen beim Tanzen zu. Ich war überrascht, dass noch andere Familien da waren, denn es gab nicht viele Häuser in der Nähe. Trotzdem freute ich mich, dass alle da waren, denn es war ein fröhliches Fest.

Mir fiel auf, dass einer der anwesenden Jungen mich ständig ansah, und das begann mich ziemlich zu stören, denn er machte keinen Hehl daraus, dass er mich anstarrte. Er glotzte mich an, als wäre ich ein saftiges Stück Fleisch. Genau in diesem Moment tauchte Logan auf. Er kam von hinten auf mich zu, legte mir sanft die Hand auf die Taille, was mich extrem nervös machte, und beugte sich an mein Ohr.

— Entspann dich einfach und lass ihn denken, dass wir zusammen sind, dann hört er auf, dich anzustarren. Er ist doch nur ein Idiot. — Da wusste ich, von wem er sprach. Wir sahen uns an, während ich ihn anlächelte, und er erwiderte mein Lächeln.