Tessa - Lächeln auf Befehl

...Ich weiß nicht, warum ich mich zu ihm gesetzt habe. Eigentlich tue ich das nie. Spontane Entscheidungen sind nicht mein Ding. Ich plane. Ich strukturiere. Ich funktioniere....

...Aber da saß ich. Neben Logan Reyes, dem stillsten Typen auf dieser ganzen Schule. Auf der Tribüne, während alle anderen ihre Masken längst wieder aufgesetzt hatten. Und plötzlich fühlte sich mein Gesicht seltsam nackt an, ohne das Dauerlächeln....

...›Nicht denken. Weiterlaufen.‹ So war das eigentlich. Nach dem Spiel. Nach dem Applaus. Nach dem perfekten Cheer....

...Doch diesmal war es anders. Und ich war anders. Für ein paar Minuten....

...Er hatte nicht viel gesagt. Und trotzdem war da... Etwas gewesen. Nicht flirty. Nicht creepy. Nur... Still. Still, aber nicht leer....

...Als ich nach Hause kam, fragte Mom nicht viel. Sie war am Handy, wie immer. Mein kleiner Bruder schrie nach Aufmerksamkeit, wie immer. Ich murmelte, etwas von ›Spiel war gut‹ und schob mich ins Bad....

...Ich schloss die Tür ab, stellte mich vor den Spiegel und betrachtete mein Gesicht....

...Mascara leicht verschmiert. Lippenstift blasser als vorher. Und die Augen – müde....

...Nicht von heute. Von immer....

...Ich zog die Mundwinkel hoch....

...»Tessa Carter«, sagte ich zu meinem Spiegelbild. »Cheer Captain. Top of the class. All smiles, no flaws.«...

...›Lächeln auf Befehl.‹ ›Lächeln, damit niemand fragt.‹ ›Lächeln, weil du sonst zerfällst.‹...

...Ich ließ das Gesicht wieder fallen. Nur ich. Ohne Make-up, ohne Haltung....

...Und dann, ohne dass ich es wollte, tauchte sein Gesicht in meinem Kopf auf....

...Diese ruhige Art. Die Stimme, tief und trocken. Diese verdammten Blasen auf seinen Händen. Wer zeigt schon freiwillig seine Schwächen?...

...Ich schüttelte den Kopf. ›Nicht romantisieren, Tessa. Du hast keine Zeit für sowas.‹...

...Ich hatte Termine. Prüfungen. Cheertraining. Erwartungen....

...»Du darfst nicht weich werden«, flüsterte ich. »Weich ist gefährlich.«...

...Ich duschte schnell, zog mir Shorts und ein altes Camp-Shirt an und warf mich auf mein Bett. Ich scrollte durch mein Handy. 92 neue Benachrichtigungen. Gruppenchat. Kommentare. Likes. Ich tippte kurz etwas, setzte zwei Emojis, stieg wieder aus....

...Ich hatte keine Lust, irgendwas zu sagen. Zu niemandem....

...Und dann war da diese Nachricht. Von einer Nummer, die ich nicht gespeichert hatte....

...»Wenn du mal keine Lust auf Applaus hast – Tribüne ist frei.«...

...Ich starrte auf den Bildschirm. Mein Herz machte einen kurzen Sprung....

...›Wie kommt er an meine Nummer?‹ Ich wusste es eigentlich. In dieser Schule kommt jeder an alles, wenn er will. Aber die Frage war eine andere: Warum schreibt er mir?...

...Ich legte das Handy weg, ohne zu antworten....

...Aber ich wusste, ich würde morgen nach ihm suchen. Nicht, um zu flirten. Nicht, um ihn zu küssen. Nicht mal, um mit ihm zu reden....

...Sondern weil ich das Gefühl hatte, dass er mich vielleicht für ein paar Minuten nicht bewertet....

...Und das allein war mehr, als ich von fast allen anderen hier bekam....

...ΩΩΩΩΩΩΩΩΩΩΩΩΩΩΩΩ...

...Logan - Die neue Routine ...

...Es war erst Montag, und ich hatte schon genug von dieser Woche....

...Ich saß auf der Tribüne, auf meinem üblichen Platz, zur gewohnten Zeit. Die Jungs waren noch beim Umziehen, und die Trainer schrien irgendwo auf dem Nebenplatz. Ich kaute Kaugummi, ohne Musik in den Ohren, nur mit meinen Gedanken....

...Normalerweise sind meine Tage einfach: Aufstehen, Joggen, Schule, Baseball, Essen, Schlafen und dann wieder von vorne. Wenig Gerede, kaum Nähe, keine Erwartungen....

...›Routine schützt dich‹, hat mein Dad immer gesagt. Er hatte nicht unrecht, aber er hatte auch keine Ahnung, wie es sich anfühlt, wenn die Routine anfängt, sich wie ein Käfig anzufühlen....

...Und dann hatte ich ihr geschrieben....

...Tessa Carter, die Cheerleaderin. Strahlend, laut, makellos – und trotzdem irgendwie... Müde. Ich wusste nicht, warum ich ihre Nummer besorgt hatte. Vielleicht wollte ich sehen, ob sie antwortet, vielleicht wollte ich wissen, ob sie zurückkommt. Oder vielleicht hatte ich einfach das Gefühl, dass sie gerade genauso wenig schlief wie ich....

...»Wenn du mal keine Lust auf Applaus hast – Tribüne ist frei.«...

...Einfach so rausgeschickt, ohne Plan, ohne Hoffnung....

...Sie hatte nicht geantwortet, kein Punkt, kein Herz, keine Reaktion. Aber ich hatte gesehen, dass sie's gelesen hatte. Und das reichte....

...Ich nahm den Baseball in meiner Hand und ließ ihn immer wieder gegen meine Fingerspitzen tippen. Dreimal, Pause, wieder dreimal. Der Rhythmus beruhigte mich, die Geräusche auch, aber meine Gedanken nicht so sehr....

...›Sie kommt nicht‹, sagte ich mir. ›Warum sollte sie auch?‹...

...Und dann hörte ich Schritte. Leicht, schnell. „Ich habe sie nicht sofort bemerkt. Erst als sie neben mir langsamer wurden, drehte ich mich um....

...»Der Applaus war heute besonders laut«, sagte sie und setzte sich hin....

...Ich drehte mich leicht zu ihr um. Sie trug einen Hoodie, nicht ihr Schulshirt. Ihre Haare waren hochgesteckt und sie trug kein Make-up....

...»Vielleicht war's auch nur der Wind.« Ich sagte es leise, fast grinsend. Sie lachte kurz, aber es klang echt....

...»Tut mir leid, dass ich gestern nichts geschrieben hab.«...

...Ich zuckte mit den Schultern. »Hätte mich nur gewundert, wenn du's getan hättest.«...

...»Wieso das?«...

...Ich sah sie direkt an....

...»Weil du nicht der Typ bist, der sich gern erwischen lässt, wenn er mal echt ist.«...

...Sie sagte nichts und sah geradeaus. Dann zog sie die Knie an ihre Brust und stützte das Kinn darauf ab....

...»Vielleicht will ich nicht, dass jemand sieht, was unter dem Lächeln ist.«...

...Ich nickte. »Vielleicht sehen's aber sowieso schon alle. Sie schauen nur nicht hin.«...

...Ein Moment lang war nur Wind da. Leicht. Kühl. Aber nicht unangenehm. Ich merkte, dass mein Fuß sich leicht bewegte. Tippen, tippen, tippen. Routine, wieder. Auch, wenn sie jetzt direkt neben mir saß....

...»Ich mag die Tribüne«, sagte sie. »Hier ist es ruhig. Niemand erwartet was von mir.«...

...»Deshalb bin ich hier.«...

...Sie sah mich wieder an. »Und? Hilft's?«...

...Ich dachte kurz nach....

...»Nicht immer. Aber es ist besser als alles andere.«...

...Sie lächelte. Nicht fröhlich. Mehr... Dankbar....

...Wir saßen noch eine Weile da. Ohne Zeitdruck. Ohne Plan. Ich fragte mich, wann aus einem Ort einfach nur ein Ort wird – und wann er plötzlich ein Treffpunkt ist....

...Vielleicht war das hier die neue Routine....

...Nicht geplant. Nicht perfekt. Aber echt....

...Und das war mehr, als ich seit langer Zeit hatte....

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