Nachdem Lance zum zweiten Mal versucht hatte, mich anzurufen, stellte ich mein Telefon auf stumm. Ich war es leid, mich selbst zu quälen und mich selbst und alles, was ich je getan hatte, infrage zu stellen. Als ich vor dem Sweet ankam, hatte Becca mir einen Termin mit ihrer Friseurin gemacht.
Kate
Du meinst also, dass eine neue Frisur alles verändert?
Becca
Das ist nicht bloß eine neue Frisur, du musst dich ändern. Seit deinem Anruf habe ich darüber nachgedacht. Es gibt nur eine einzige Möglichkeit für dich, die nächsten Wochen zu überstehen: Du musst erreichen, dass Lance klar wird, was er an dir hat.
Nach einem ausgiebigen Blick in den Spiegel zuckte ich mit den Schultern.
Kate
Nicht viel, wie mir scheint.
Becca
Aber bald wird er eine vollkommen neue Frau sehen.
Kate
Aber ich werde doch immer noch ich selbst sein?
Becca
Klar wirst du das, Dummerchen. Außerdem, mögen tut Lance dich ja schon. Wir wollen nur erreichen, dass er dich auch begehrt.
Kate
Er ist verlobt und wird bald heiraten, Becca.
Becca
Na und? Du willst ja auch nicht, dass irgendwas passiert. Spiel einfach ein bisschen mit ihm, vielleicht holst du dir dabei dein Herz zurück.
Kate
Okay, ich bin dabei.
Becca
Fein.
Abermals klingelte mein Handy. Natürlich war es wieder Lance, und diesmal nahm ich den Anruf an.
Kate
Ja, hier ist Kate.
Lance
Wo sind Sie gewesen?
Kate
Im Auto.
Lance
In unserer Zweigstelle hat es gebrannt. Ich brauche Sie in meinem Büro.
Die Nachricht versetzte mir einen Schock. Oil & Gas war bekannt dafür, einer der sichersten Betriebe der ganzen Branche zu sein.
Kate
Hat es denn eine Explosion gegeben?
Lance
Das weiß man noch nicht so genau. Ich habe genug damit zu tun, hier in der Zweigstelle die Stellung zu halten. Wann können Sie im Büro sein?
Kate
Heute Abend.
Was sollte das? Es war zwar eine Notsituation, aber sie brauchten mich nicht wirklich. Paula und Joan, die beiden anderen Sekretärinnen von Oil & Gas, konnten ebenso gut telefonieren.
Kate
Morgen früh.
Lance
Kate, ich brauche Sie.
Lance
Die Firma braucht Sie. Wir brauchen unsere besten Leute auf dem Spielfeld.
Kate
Sie haben Ihre besten Spieler auf dem Feld. Ich habe den Verein gewechselt, schon vergessen?
Lance
Verdammt. In dieser Angelegenheit ist noch nicht das letzte Wort gesprochen.
Kate
Doch, das ist es. Ich habe mich entschieden. Ich rufe Paula an und sage ihr, was sie tun soll. Als wir letztes Jahr den Hurrikan hatten, habe ich ein Notfallprotokoll erstellt, an das sie sich jetzt halten kann.
Lance
Lassen Sie ihr Telefon an, sodass ich Sie jederzeit erreichen kann.
Kate
Warum? Ich bin nicht …
Lance
Hören Sie auf, mit mir zu streiten, Kate, das mag ich nicht. Was ist bloß in Sie gefahren?
Nachdenklich sah ich in den Rückspiegel. Das war das erste Mal in meinem Leben, dass ich nicht tat, was Lance von mir wollte. Und das schien ihn völlig zu verstören. Vielleicht sollte ich öfter Nein zu ihm sagen, statt mir einen neuen Haarschnitt und ein anderes Outfit zuzulegen. Bisher war ich immer viel zu entgegenkommend gewesen – wahrscheinlich nahm er meine ständige Verfügbarkeit deshalb als selbstverständlich hin.
Kate
Ich weiß es nicht, Lance. Ich habe einfach beschlossen, dass es Zeit für einen Neuanfang ist. Das ist alles.
Lance
Ich habe gedacht …
Kate
Was?
Lance
Nichts. Kommen Sie morgen ins Büro?
Kate
Ja, ich werde da sein.
Lance
Gut.
Kate
Tut mir leid wegen der Zweigstelle. Hat es denn Verletzte gegeben?
Lance
Ja, vier Männer sind im Krankenhaus.
Kate
Ich werde Paula auftragen, ihnen Blumen zu schicken – und ihre Familien sollten Präsentkörbe bekommen.
Lance
Danke.
Kate
Gern geschehen.
Ich hatte nicht vor, weiterhin das Mädchen für alles zu spielen und heimlich in meinen Chef verliebt zu sein. Das musste endlich ein Ende haben. Ich hatte es satt, nur für die wenigen Momente zu leben, die ich und Lance gemeinsam im Büro verbrachten.
Kate
Machen Sie’s gut, Lance.
Mir war plötzlich ganz heiß und ich hoffte, dass es an der Sommerhitze lag und nicht daran, dass mir der Abschied von Lance wahrscheinlich nicht ganz leichtfallen würde.
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... LANCE ...
Den restlichen Nachmittag und den größten Teil des Abends verbrachte ich in der Zweigstelle. Darius war erst spät eingetroffen und hatte eine Liste mit Verdächtigen zusammengestellt, die möglicherweise ein Interesse daran gehabt haben könnten, Oil & Gas zu schaden.
Als ich die Zweigstelle endlich verließ und mich auf den Weg zurück machte, war ich vollkommen erledigt und hatte von dem Tag gehörig die Nase voll. Alles war … absolut verrückt.
Als ich noch ein Junge gewesen war, hatte ich mir jeden Tag so viel vorgenommen, wie es nur ging, um möglichst spät in mein ungeliebtes Zuhause zu kommen. Ich hatte nicht einmal daran denken wollen, was mich dort erwartete. Aber das war lange her, und jetzt, wo ich alleine lebte, mochte ich mein Leben. Na ja, noch lebte ich alleine, denn bald würde meine Braut in meine Villa einziehen. Ich war nicht sicher, ob ich jetzt schon für ein typisches Eheleben in der Vorstadt bereit war. Aber Mitch und ich hatten uns darauf geeinigt, dass ich derjenige sein sollte, der Lexi heiratete.
Verdammt. Ich rieb mir den Nacken, der vollkommen verspannt war, wie immer, wenn ich Stress hatte. Ich warf einen Blick auf mein Handy, das plötzlich klingelte. Es war mein Bruder.
Lance
Hallo, Mitch.
Mitch
Hallo, großer Bruder.
Mitch
Wie läuft's?
Lance
Grottenschlecht. Ich habe ganz vergessen, dir zu erzählen, dass Kate heute gekündigt hat.
Mitch
Was? Wieso?
Lance
Sie denkt, dass es einfach an der Zeit ist, ihre berufliche Karriere ohne uns fortzusetzen. Sie sagt, sie fühlt sich nicht genügend herausgefordert oder so was in der Art.
Mitch
Vielleicht ist es einfach Zeit für sie, sich weiterzuentwickeln.
Lance
Ich versuche, sie zum Bleiben zu überreden.
Mitch
Warum?
Lance
Sie gehört zu Oil & Gas, und wir brauchen sie.
Mitch
Vielleicht will sie ja mehr.
Lance
Und was zum Beispiel?
Mitch
Denk selbst darüber nach. Ich muss mich jetzt beeilen. Vergiss nicht, mir die Namen von den Verletzten zu schicken.
Lance
Geht klar.
Ich fuhr in eine Parklücke vor dem Krankenhaus und sprach noch ein paar Minuten mit meinem Bruder. Ich mochte Krankenhäuser nicht. Das lag vermutlich daran, dass ich in meiner Kindheit fast schon Stammgast in der Notfallaufnahme war.
Ich rieb mir über die Narbe an den Knöcheln meiner linken Hand. An einigen Tagen fühlte ich mich verdammt alt, viel älter, als ich wirklich war. Ich ahnte, dass ich mit Lexi aufpassen müssen würde, damit unsere Verlobung und die anstehende Hochzeit nicht platzte. Nur zu genau wusste ich, dass ich das legendäre Temperament meines Vaters geerbt hatte. Jetzt, wo ich in meinem Truck saß und auf das moderne Krankenhausgebäude sah, fiel mir das Versprechen ein, was ich mir mit dreizehn Jahren gegeben hatte: Ich würde niemals eines meiner Kinder in die Notfallaufnahme bringen, weil ich keine eigenen Kinder haben würde.
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... KATE ...
Ich war nervös, als ich am nächsten Morgen aus dem Auto stieg. Vergangenen Abend war ich mit Becca shoppen – und es hatte uns beiden Spaß gemacht, gewagte Kleider für mich auszusuchen. Als ich aber an diesem Morgen das körperbetonte Sommerkleid angezogen und meine neue Frisur gestylt hatte, war ich mir wie eine Hochstaplerin vorgekommen.
Drei Versuche hatte ich gebraucht, bis ich es geschafft hatte, meine neuen Kontaktlinsen einzusetzen, doch schließlich glich ich der neuen Kate fast aufs Haar, die gestern Abend den Friseursalon im neuen Look verlassen hatte. Doch ein Gedanke ließ mich einfach nicht los: Was, wenn meine Verwandlung nicht den gewünschten Effekt zeigte und mich stattdessen alle nur auslachten?
War das nicht vollkommen verrückt? Schließlich war ich eine erwachsene Frau und sollte mich den Teufel darum scheren, was andere Menschen von meinem neuen Look hielten. Becca hatte mir immer wieder versichert, dass ich einfach heiß aussehen würde – Ich war mir da allerdings nicht so sicher. Ich kam mir immer noch wie die übergewichtige, altbackene Kate vor, die versuchte, jemand zu sein, der ich eigentlich gar nicht war.
Stan
Guten Morgen.
Kate
Guten Morgen, Stan.
Stan
Sie sehen heute toll aus. Sehr hübsch.
Kate
Vielen Dank, Stan.
Nachdem ich meinen Ausweis eingescannt hatte, ging ich zu den Fahrstühlen. Während ich auf den Aufzug wartete, betrachtete ich mich im Spiegelbild auf der blankpolierten Fahrstuhlverkleidung. Das Seltsamste an dieser ganzen Verschönerungsaktion war, dass ich mich selbst nicht mehr wiedererkannte.
Lance
Verzeihen Sie, aber dieser Aufzug ist nur für Angestellte der Chefetage.
Ich drehte mich zu ihm um.
Lance
Kate?
Vergeblich wartete ich darauf, dass er noch etwas sagte. Zwar war ich ein wenig verletzt deswegen, ich würde aber damit klarkommen. Gestern Abend hatte ich nämlich beschlossen, dass ich damit aufhören wollte, Lance zu gefallen. Diese Entscheidung hatte ich sehr schnell getroffen – zum ersten Mal seit langer Zeit.
Kate
Ich habe heute Morgen unsere Arbeiter in der Today Show gesehen. Das Interview ist richtig gut gelaufen, finde ich.
Lance
Ja, Ally hat sie gut vorbereitet. Ich bin froh, dass sie alle wieder vollkommen gesund werden.
Lance ließ mir den Vortritt in den Fahrstuhl. Als ich hineinging, konnte ich seinen Blick förmlich auf meinem Rücken ruhen spüren. War das Kleid vielleicht doch zu kurz für das Büro? Als ich mich jedoch umdrehte und Lance auf meine Beine starren sah, wusste ich, dass mein Outfit die beabsichtigte Wirkung hatte. Endlich sah er die Frau in mir. Das hatte ich mir immer gewünscht, und trotzdem war es ein komisches Gefühl.
Jetzt, wo ich mir seiner Aufmerksamket gewiss sein konnte, wusste ich nicht, was ich damit anfangen sollte.
Kate
Wie war Ihr Abend?
Lance
Ich habe die meiste Zeit telefoniert … was ich nicht gemusst hätte, wenn meine Assistentin da gewesen wäre.
Kate
Vielleicht hat Ihre Assistentin ja auch einfach nur beschlossen, endlich ihr eigenes Leben zu leben.
Lance
Ist es etwa das, worum es Ihnen die ganze Zeit gegangen ist?
Kate
Nein.
Kate
Ich habe meine eigenen Bedürfnisse viel zu lange ignoriert. Ich weiß, dass mein Timing gestern nicht das beste gewesen ist, aber ich konnte ja nicht ahnen, dass es in der Zweigstelle einen Brand geben würde.
Lance
Wer hätte das schon ahnen können? Ich habe ja nichts dagegen, wenn Sie einen Nachmittag freimachen. Wenn ich Sie zum Bleiben überreden kann, können wir gerne über mehr Freizeit für Sie sprechen.
Beim Aussteigen ließ Lance mir wieder den Vortritt. Als ich an ihm vorbeiging, konnte ich ihn tief Luft holen hören.
Lance
Haben Sie Parfum aufgelegt?
Kate
Ja. Wieso fragen Sie?
Lance
Ach, ich wollte nicht indiskret sein. Aber der Duft gefällt mir.
Kate
Danke.
Mein verändertes Aussehen schien Lance zu beunruhigen. Oder er stand an diesem Morgen einfach nur ein wenig neben sich.
Kate
Wenn Sie in die Zweigstelle wollen, kein Problem. Ich komme heute Morgen hier auch ohne Sie zurecht.
Lance
Danke, Kate, aber ich glaube, dass ich hier gebraucht werde. Besonders, wenn Sie immer noch entschlossen sein sollten zu kündigen.
Mit einem Nicken betrat ich mein Büro und wusste sofort, dass viel Arbeit auf mich wartete, als ich das blinkende Licht meines Anrufbeantworters sah. Als Lance die Tür schloss und an mir vorbei in sein Arbeitszimmer gehen wollte, streifte er mich zufällig. Dabei stolperte ich in meinen hochhackigen Schuhen, sodass Lance mich mit einer Hand an meiner Taille stützte, damit ich das Gleichgewicht nicht verlor. Ich drehte mich zu ihm um, wobei mein Haar seine Schulter berührte.
Er legte den anderen Arm um meine Schulter und sah mich an.
Lance
Mir ist vorher nie aufgefallen, wie hübsch Ihre braunen Augen eigentlich sind.
Kate
Vermutlich hat man sie hinter den Brillengläsern einfach nicht richtig sehen können.
Lance
Oder vielleicht habe ich vorher einfach nur nicht richtig hingesehen.
Kate
Das hat wohl daran gelegen, dass es vorher nichts gab, das sich anzusehen gelohnt hat.
Lance
Bei Ihnen lohnt es sich, genauer hinzusehen, Kate.
Kate
Wirklich?
Lance
Ja, und es tut mir leid, dass ich das nicht schon vorher getan habe.
Kate
Warum tut es Ihnen leid?
Lance
Weil Sie verflucht hübsch sind, deshalb.
Kate
Das bin nicht ich, das sind nur die Frisur und das Make-up.
Kate
Mein Mund ist zu groß für mein Gesicht.
Oh nein ... habe ich das gerade Laut gesagt ?
Kopfschüttelnd strich er mit dem Daumen über meine Unterlippe.
Lance
Ihr Mund passt perfekt zu Ihrem Gesicht – sinnlich und verführerisch.
Kate
Verführerisch? Hallo, ich bin’s, Lance. Kate. Ich habe bisher doch wohl noch nie verführerisch auf Sie gewirkt.
Lance
Ich muss wohl blind gewesen sein, Kate, weil Sie mich jetzt eindeutig in Versuchung führen.
Er berührte mit seinen Lippen meine, bevor er mich schließlich küsste.
Unwillkürlich stellte ich mich auf die Zehenspitzen, um den Kuss zu erwidern. Es war genauso, wie ich es mir immer erträumt hatte – auch wenn es vollkommen überraschend passierte. Allerdings hatte ich mir nicht ausgemalt, wie großartig er schmeckte, als sich unsere Zungen berührten. Oder wie wunderbar sich seine kräftigen Hände in meinem Haar anfühlten. Oder die Art und Weise, wie ein einziger Kuss ausreichte, um mein ganzes Leben auf den Kopf zu stellen.
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