Der Regen prasselte in dichten Strömen auf die grauen Dächer der Stadt. Danny zog die Kapuze seines Sweatshirts tiefer ins Gesicht und steckte die Hände in die Taschen, während er durch die leeren Straßen schlenderte. Es war spät, und die Neonlichter der geschlossenen Geschäfte tauchten den Gehweg in ein kaltes, künstliches Licht. Er wusste nicht, warum er überhaupt hier war. Eigentlich wollte er nur dem stickigen Zimmer seiner kleinen Wohnung entfliehen, aber irgendetwas hatte ihn in diese Richtung gezogen. Es war, als würde ihn eine unsichtbare Macht rufen – leise, aber beharrlich. Dann sah er es. Am Ende einer dunklen Gasse leuchtete ein seltsames, schimmerndes Licht. Es war nicht das vertraute Flackern einer Straßenlaterne oder der Schein eines Autoscheinwerfers. Nein, dieses Licht war anders. Es pulsierte, wärmte die Luft und schien ihn direkt einzuladen. „Was zum Teufel …?“ murmelte Danny und trat näher. Das Licht ging von einem Torbogen aus, alt und aus Stein, der merkwürdigerweise mit geschwungenen, goldenen Runen bedeckt war. Danny schwor, dass dieser Bogen gestern noch nicht hier gewesen war. Er spürte, wie sein Herz schneller schlug. Etwas an diesem Anblick rief eine seltsame Mischung aus Angst und Neugier in ihm hervor. „Vielleicht sollte ich einfach wieder umdrehen,“ murmelte er. Doch er blieb stehen. Ein Windstoß fuhr durch die Gasse und schien seinen Körper zu umkreisen, als ob er ihn zum Gehen drängen wollte. Ohne wirklich zu wissen, warum, streckte Danny seine Hand aus und berührte die Runen. In dem Moment, als seine Finger das kalte Gestein berührten, durchzuckte ihn ein grelles Licht. Die Welt verschwamm um ihn herum, und ein Sog ergriff ihn. Es fühlte sich an, als würde der Boden unter seinen Füßen weggerissen. Als der Lichtwirbel schließlich abebbte, stand Danny nicht mehr in der Gasse.
Vor ihm erstreckte sich eine Landschaft, die er sich nicht einmal in seinen wildesten Träumen hätte vorstellen können: endlose Felder aus schimmernden Kristallen, ein Himmel, durchzogen von leuchtenden Farben, und am Horizont die Silhouette einer gigantischen Stadt, in der Drachen in eleganten Bögen um hoch aufragende Türme kreisten. „Wo … bin ich?“ flüsterte Danny. Die Luft fühlte sich anders an. Schwer, fast elektrisch, und doch erfüllt von einer seltsamen Lebendigkeit. Jeder Atemzug ließ Dannys Sinne auf Hochtouren laufen. Die Farben schienen intensiver, die Geräusche klarer, selbst die Wärme der Sonne, die durch den schimmernden Himmel drang, war anders – lebendiger. Danny drehte sich langsam um. Hinter ihm stand der Torbogen, durch den er gekommen war, doch er wirkte nun brüchig und alt, als hätte er Jahrhunderte hier gestanden. Die goldenen Runen glühten schwach, ehe sie verblassten und in den Stein zurücksanken. Ein dumpfes Grollen ließ ihn aufhorchen. Er wirbelte herum und suchte die Umgebung nach der Quelle des Geräuschs ab. Am Himmel über ihm kreiste eine Gestalt. Zuerst dachte er, es sei ein riesiger Vogel, aber als sie tiefer sank, erkannte er die majestätische Form eines Drachen. Schimmernde Schuppen reflektierten das Licht, und gewaltige Flügel peitschten durch die Luft. Danny stockte der Atem. Das Wesen war riesig – größer, als er sich je hätte vorstellen können – und zugleich wunderschön. „Das ist unmöglich …“ flüsterte er. Der Drache zog einen Kreis und ließ sich schließlich auf einem Felsvorsprung in der Nähe nieder. Seine Augen, golden wie flüssiges Metall, fixierten Danny. Einen Moment lang herrschte absolute Stille, nur unterbrochen von Dannys rasendem Herzschlag.
„Ein Mensch?“ Die Stimme war tief und hallte wie ein fernes Grollen in Dannys Kopf. Es dauerte einen Moment, bis er begriff, dass der Drache sprach – nicht mit Worten, sondern direkt in seinen Gedanken. Danny stolperte rückwärts, sein Puls explodierte. „Das … das kann nicht …“ „Beruhige dich,“ sagte die Stimme erneut. Sie war ruhig, fast geduldig, als hätte der Drache schon oft mit verwirrten Fremden gesprochen. „Du bist ins Drachenreich gelangt. Es gibt keinen Grund zur Furcht – noch nicht.“ „Noch nicht?“ Danny zwang sich, das Zittern in seiner Stimme zu unterdrücken. „Was soll das heißen? Wer bist du? Und was ist das hier überhaupt?“ Der Drache legte seinen Kopf schräg, als würde er ihn mustern. „Ich bin Kael’thar. Und du bist ein ungebetener Gast.“ Die Worte schürten eine Mischung aus Ärger und Angst in Danny. „Hey, ich habe mir das nicht ausgesucht! Dieses Tor – oder was auch immer das war – hat mich hierhergezogen!“ Kael’thar schnaufte, eine Rauchwolke entwischte seinen Nüstern. „Das Tor öffnet sich nicht zufällig. Wenn es dich gerufen hat, gibt es einen Grund. Es bleibt abzuwarten, ob dieser Grund uns nützt oder uns schadet.“ Danny wollte protestieren, doch die Worte des Drachen hielten ihn inne. Da war etwas in Kael’thars Blick – etwas, das sowohl Weisheit als auch ein Hauch von Bedrohung ausstrahlte. „Folge mir,“ sagte der Drache schließlich. „Es gibt jemanden, der wissen muss, dass du hier bist. Jemanden, der vielleicht Antworten hat.“ Danny zögerte. Doch was blieb ihm anderes übrig? Hier zu bleiben und auf irgendeine Gefahr zu warten, war sicher keine Option. Also nickte er schließlich und machte sich bereit, einer völlig fremden Welt zu folgen. Kael’thar erhob sich majestätisch, seine gewaltigen Flügel entfalteten sich wie Segel, die den Himmel in Anspruch nahmen.
Der Anblick war überwältigend – die Schuppen des Drachen schimmerten in einer Mischung aus tiefem Blau und silbrigem Weiß, als wären sie aus Sternenlicht geschmiedet. Seine Bewegungen waren elegant, trotz der schieren Masse, die er mit sich trug. „Bleib dicht bei mir,“ befahl Kael’thar und streckte seinen Schwanz aus, als wolle er Danny damit signalisieren, ihm zu folgen. Danny zögerte. Jeder Instinkt in ihm schrie, dass er fliehen sollte – weg von diesem riesigen, gefährlichen Wesen und der unheimlichen Welt, in der er gelandet war. Doch wohin hätte er gehen sollen? Um ihn herum erstreckte sich eine endlose Ebene aus schimmernden Kristallfeldern, und die Stadt am Horizont war Meilen entfernt. Also atmete er tief durch und setzte sich in Bewegung. Während er hinter Kael’thar herging, fiel ihm die Stille auf. Kein Rascheln von Blättern, kein Summen von Insekten. Die Welt wirkte wie eingefroren, als ob sie auf ein Signal wartete, wieder zu leben. Nur der ferne Ruf eines anderen Drachen durchbrach die Stille hin und wieder, ein Klang, der die Luft vibrieren ließ. „Was ist das hier für ein Ort?“ fragte Danny schließlich, seine Stimme leise, als ob er befürchtete, die Stille zu stören. Kael’thar drehte den Kopf, während er weiterging. „Dies ist das Drachenreich. Eine Welt, die jenseits der euren existiert. Hier leben Wesen, die ihr Menschen längst als Mythen abgeschrieben habt. Drachen, uralte Wächter der Elemente, die über diese Lande herrschen.“ „Wächter der Elemente?“ „Feuer, Wasser, Luft, Erde – und darüber hinaus Kräfte, die dein Geist nicht fassen kann.“ Kael’thars Stimme wurde dunkler. „Doch die Balance dieser Kräfte ist gestört.
Etwas Dunkles rührt sich in den Tiefen, und das Tor hat sich geöffnet, um dich zu rufen. Warum, das müssen wir herausfinden.“ Dannys Kopf schwirrte. Elemente? Balance? Und warum zum Teufel sollte er etwas mit all dem zu tun haben? Er war nur ein Typ aus der Stadt, der einen Job hatte, den er nicht mochte, und ein Leben führte, das ihn kaum begeisterte. Nichts an ihm war besonders. „Was, wenn das ein Irrtum ist?“ wagte er schließlich zu fragen. Kael’thar hielt inne, und seine goldenen Augen durchbohrten Danny wie ein glühendes Schwert. „Das ist kein Irrtum. Das Tor wählt nie falsch.“ Danny wollte antworten, doch plötzlich zitterte der Boden unter ihnen. Ein lautes Grollen erklang, und Kael’thar drehte sich ruckartig in Richtung des Geräuschs. „Wir werden beobachtet,“ knurrte der Drache. „Was meinst du mit –“ Bevor Danny seine Frage beenden konnte, brach etwas aus dem Boden hervor. Eine schwarze Kreatur, gekrümmt und mit leuchtenden roten Augen, erhob sich vor ihnen. Sie war schlank und schuppig, eine unheimliche Mischung aus Drache und Schatten, und ihr Maul öffnete sich in einem lautlosen Schrei. „Bleib hinter mir!“ rief Kael’thar, seine Flügel schützend ausbreitend. Dann begann die Kreatur, sich zu bewegen – schnell, lautlos und mit tödlicher Absicht.
Kael’thar hob eine Klaue, und ein gewaltiger Windstoß raste durch die Ebene, fegte die schwarze Kreatur zurück in die Schatten. Sie zischte, ihre roten Augen funkelten noch einen Moment lang, bevor sie im Boden verschwand, als wäre sie nie dort gewesen. „Was war das?“ fragte Danny, der jetzt kaum noch seine Stimme unter Kontrolle hatte. Sein Herz schlug wild, und er wich unwillkürlich einen Schritt zurück. Kael’thar blieb regungslos, sein Blick blieb auf den Ort fixiert, wo die Kreatur verschwunden war. „Ein Abgesandter der Finsternis. Sie sind Vorboten, die die Störungen in der Balance nutzen, um in unsere Welt einzudringen. Sie dürfen nicht unterschätzt werden.“ „Finsternis? Balance?“ Danny schüttelte den Kopf. „Du redest in Rätseln. Kannst du es mir nicht einfach erklären? Warum bin ich hier, und was hat das mit diesen Monstern zu tun? Der Drache wandte sich ihm langsam zu, seine goldenen Augen wirkten nun ruhiger, beinahe nachdenklich. „Das Drachenreich ist mehr als nur ein Ort. Es ist ein Nexus, der alle Welten verbindet. Hier fließen die Energien der Elemente zusammen, die das Gleichgewicht aller Existenz bewahren. Doch dieses Gleichgewicht ist zerbrechlich. Vor Jahrhunderten begann eine Dunkelheit, das Gefüge dieser Welt zu bedrohen – eine Macht, die die Elemente zu ihrem eigenen Zweck verzerren will.“ Danny schluckte schwer, doch er versuchte, dem zu folgen. „Und was hat das mit mir zu tun?“ „Die Tore, die unsere Welt mit eurer verbinden, öffnen sich nur, wenn sie es müssen,“ erklärte Kael’thar mit ernster Stimme. „Wenn ein Mensch gerufen wird, bedeutet das, dass er eine Rolle im Schicksal dieses Reiches spielen soll.“ „Das ist doch verrückt,“ protestierte Danny. „Ich bin niemand Besonderes. Ich weiß nichts über Drachen oder Elemente oder … oder dunkle Mächte! Ich bin nur ein Typ aus der Stadt.“
Kael’thar senkte seinen Kopf ein Stück, bis seine Augen auf einer Höhe mit Dannys waren. „Du magst glauben, dass du gewöhnlich bist. Doch das Tor sieht Dinge, die wir nicht sehen können. Deine Anwesenheit hier ist kein Zufall. Ob du es willst oder nicht, du bist Teil dieses Spiels – und die Zeit wird zeigen, warum.“ Danny fühlte sich, als würde ihm der Boden unter den Füßen weggezogen. Alles, was der Drache sagte, klang wie aus einem Fantasy-Roman, und doch war es so real. Die Luft, die Farben, das bedrohliche Wesen von vorhin – er konnte sich das nicht einbilden. „Was passiert, wenn diese Dunkelheit gewinnt?“ fragte er schließlich, seine Stimme leise. Kael’thar richtete sich auf, seine Flügel spannten sich, und für einen Moment schien seine ganze Gestalt noch größer und mächtiger zu werden. „Wenn die Dunkelheit die Elemente unterwirft, wird sie die Welten zerstören – auch deine. Der Nexus würde zusammenbrechen, und nichts würde bestehen bleiben.“ Dannys Magen zog sich zusammen. Das klang alles so gewaltig, so viel größer als er selbst. Wie sollte er in all dem einen Unterschied machen? „Du hast viele Fragen,“ sagte Kael’thar schließlich. „Und sie werden Antworten finden – aber nicht hier. Komm, wir müssen die Ältesten aufsuchen. Sie können dir die Wahrheit über dich und deine Rolle in diesem Kampf offenbaren.“ Danny schüttelte den Kopf, seine Gedanken rasten. „Warte mal, Kael’thar. Oder wie auch immer du heißt. Das hier …“ – er machte eine hilflose Geste zu der schillernden Landschaft um sich herum – „… das ist einfach zu viel. Erst lande ich in einer Welt, die nicht existieren dürfte, dann reden Drachen über Balance, Dunkelheit und Nexus. Und jetzt soll ich angeblich irgendetwas Besonderes sein? Tut mir leid, aber ich bin der falsche Typ für so was.“
Kael’thar ließ ein tiefes Grollen hören, ein Klang, der durch die Luft vibrierte. „Zweifel sind menschlich. Aber sie werden dir nicht helfen. Die Situation ist real, ob du es akzeptierst oder nicht.“ Danny lachte bitter. „Real? Ich bin wahrscheinlich gerade ohnmächtig geworden und träume das alles. Oder ich bin verrückt geworden. Vielleicht liege ich irgendwo in einer Klinik und halluziniere.“ Kael’thar trat näher, und seine Präsenz füllte den Raum zwischen ihnen. „Glaubst du, ein Traum könnte dies fühlen lassen?“ Er senkte seinen massiven Kopf, bis er dicht vor Dannys Gesicht war. Der warme Atem des Drachen streifte seine Haut, und ein merkwürdiger Duft – eine Mischung aus Rauch und Gewürzen – durchdrang die Luft. „Träume sind flüchtig. Dies hier ist beständig.“ Danny wich zurück, sein Atem ging schneller. „Warum ich?“ fragte er schließlich, seine Stimme leiser. „Warum nicht jemand, der Ahnung von all dem hat? Irgendein Heldentyp, der sein Leben lang darauf trainiert hat, die Welt zu retten?“ Kael’thar richtete sich wieder auf, seine goldenen Augen funkelten. „Die Tore wählen nicht nach deinen Maßstäben. Sie sehen die Wahrheit, auch wenn du sie noch nicht erkennen kannst. Vielleicht bist du nicht stark oder weise, vielleicht verstehst du diese Welt nicht – noch nicht. Aber das Tor hat dich gewählt, weil es etwas in dir gesehen hat. Etwas, das diese Welt braucht.“ „Das klingt alles ziemlich philosophisch,“ murmelte Danny und verschränkte die Arme vor der Brust. „Aber ich sehe nichts Besonderes an mir.“ „Dann musst du lernen, genauer hinzusehen.“ Kael’thar schnaufte erneut, und ein feiner Nebel entwich seinen Nüstern. „Dein Zweifel ist natürlich. Doch wenn du an ihm festhältst, wird er dich und diese Welt zerstören. Es gibt keine Rückkehr, Danny. Das Tor hat dich gerufen, und es wird dich nicht zurücklassen, bis deine Rolle erfüllt ist.“
Danny spürte, wie die Verzweiflung in ihm aufstieg. Er wollte schreien, weglaufen, sich in seiner kleinen Wohnung verkriechen und vergessen, dass dieser Tag je passiert war. Doch tief in seinem Inneren wusste er, dass Kael’thar die Wahrheit sagte. Er hatte keine Wahl. „Also soll ich mich einfach fügen?“ fragte er schließlich, seine Stimme zynisch. „Einfach mitmachen, ohne zu wissen, was mich erwartet? Kael’thar betrachtete ihn für einen Moment schweigend, dann nickte er langsam. „Genau das. Manchmal gibt es keinen klaren Pfad, nur einen Schritt nach dem anderen.“ Danny wollte widersprechen, doch die Worte blieben ihm im Hals stecken. Er schloss die Augen und atmete tief durch, bevor er schließlich nickte. „Okay. Aber wenn ich das hier überlebe, werde ich definitiv eine Erklärung verlangen.“ Kael’thar ließ ein Geräusch hören, das fast wie ein belustigtes Grollen klang. „Das wirst du. Komm jetzt, wir haben keine Zeit zu verlieren.“
Danny folgte Kael’thar widerwillig, seine Gedanken ein chaotisches Durcheinander. Jeder Schritt fühlte sich schwer an, als hätte die Schwerkraft in dieser Welt plötzlich mehr Macht über ihn. Der Boden unter seinen Füßen schimmerte in mattem Kristallblau, doch er achtete kaum darauf. Die Worte des Drachen hallten in seinem Kopf wider:„Das Tor wählt nie falsch.“
Warum er? Warum jetzt?
Er hatte immer geglaubt, sein Leben wäre durchschnittlich. Er hatte keine besonderen Talente, keine großen Ambitionen. Seine Tage bestanden aus Arbeit, ein paar Bier mit Freunden, und dem Gefühl, dass er irgendwie feststeckte. Er war nicht jemand, der in Geschichten auftauchte, schon gar nicht in solchen, in denen Drachen vorkamen und Welten auf dem Spiel standen.
„Ich bin niemand,“ murmelte er vor sich hin, leise genug, dass Kael’thar es nicht hörte.
Eine Erinnerung stieg in ihm auf – an einen Tag, der sich in sein Gedächtnis eingebrannt hatte. Er war zehn gewesen, und es hatte geregnet, als sein Vater gegangen war. Es war keine dramatische Szene gewesen, nur ein kühler Abschied, ein letzter Blick, und dann war die Tür hinter ihm zugefallen.
„Du bist nicht genug, Danny,“ hatte sein Vater damals gesagt, bevor er ihn und seine Mutter verlassen hatte.
Diese Worte hatten sich in ihn eingegraben wie Dornen. Sie hatten ihn durch die Schule begleitet, durch die Jahre, in denen er versuchte, irgendwo dazuzugehören, und später durch die Jobs, die nie mehr als Mittel zum Zweck gewesen waren. Jedes Mal, wenn er scheiterte – bei einem Projekt, in einer Beziehung, selbst bei den kleinsten Dingen – hörte er diese Worte wieder.
Und jetzt stand er hier, in einer Welt, die wie aus einem Märchenbuch entsprungen war, und ein riesiger Drache erwartete, dass er … was? Die Welt rettete?
Er spürte, wie die Wut in ihm aufstieg. Wut auf diese Welt, auf Kael’thar, aber vor allem auf sich selbst. „Ich bin nicht genug,“ flüsterte er, diesmal etwas lauter.
Kael’thar hielt abrupt an. Ohne sich umzudrehen, sprach er mit seiner tiefen, resonanten Stimme: „Deine Zweifel sind wie ein Stein, der dich in einen Abgrund zieht. Wenn du ihn nicht loslässt, wirst du ertrinken.“
Danny starrte den Drachen an, überrascht von der plötzlichen Bemerkung. „Wie soll ich das loslassen?“ fragte er, mehr zu sich selbst als zu Kael’thar. „Du redest, als wäre das so einfach.“
Der Drache wandte seinen Kopf leicht, genug, dass Danny den goldenen Glanz seiner Augen sehen konnte. „Es ist nicht einfach. Aber es ist notwendig. Jeder trägt Zweifel mit sich, doch sie dürfen nicht das Fundament deines Seins werden.“
„Und wenn ich es nicht schaffe?“ fragte Danny.
Kael’thar schwieg für einen Moment. Dann sprach er, seine Stimme weicher als zuvor: „Dann wirst du scheitern. Aber das Wichtigste ist, dass du es versuchst. Die Wahrheit ist, Danny, dass niemand wirklich bereit für solche Prüfungen ist. Es sind nicht die Zweifel, die dich definieren, sondern die Entscheidungen, die du trotz ihnen triffst.“
Danny ließ die Worte auf sich wirken, während sie weitergingen. Ein Teil von ihm wollte aufgeben, sich weigern, noch einen weiteren Schritt in diese fremde Welt zu setzen. Doch ein anderer Teil – ein kleiner, kaum wahrnehmbarer Funke – flüsterte, dass er vielleicht doch mehr sein könnte, als er dachte.
Er hatte keine Ahnung, was ihn erwartete, keine Ahnung, wie er helfen sollte oder ob er überhaupt helfen konnte. Aber er wusste, dass er, so sehr er es sich auch wünschte, nicht zurück konnte.
Vielleicht war es an der Zeit, den Funken zu finden, den das Tor in ihm gesehen hatte.
Während Danny weiterging, überfluteten ihn weitere Erinnerungen. Sie kamen plötzlich und unaufhaltsam, wie Wellen, die gegen die Ufer seiner Gedanken schlugen. Es waren Momente, die er jahrelang versucht hatte zu verdrängen, doch die fremde Umgebung und die Worte des Drachen schienen etwas in ihm ausgelöst zu haben.
Er erinnerte sich an seine Schulzeit – die Matheprüfungen, bei denen er immer versagte, egal wie viel er geübt hatte. Er hatte die Blicke seiner Lehrer gesehen, dieses subtile Zucken der Mundwinkel, das nicht ausgesprochen, aber dennoch unmissverständlich sagte:„Er wird es nie schaffen.“Seine Mitschüler waren nicht besser gewesen. Sie hatten ihn nicht gemobbt, zumindest nicht direkt. Aber sie hatten ihn ignoriert, als wäre er unsichtbar.
Dann gab es den Sommer, in dem er zum ersten Mal verliebt gewesen war. Lisa. Sie hatte diese Art von Lächeln, das die Luft aus einem Raum zu saugen schien, und Danny hatte nie geglaubt, dass jemand wie sie ihn überhaupt wahrnehmen würde. Doch sie hatten ein paar Wochen zusammen verbracht, lange Spaziergänge gemacht, gelacht, über alles und nichts gesprochen. Und dann war es vorbei gewesen. Einfach so.
„Du bist nett, Danny,“ hatte sie gesagt, als sie ihn verließ. „Aber … du bist nicht das, was ich suche.“
Das war der Moment gewesen, in dem er begriffen hatte, dass nett zu sein nicht reichte. Es war eine seiner größten Lektionen, und gleichzeitig eine der schmerzhaftesten.
„Du bist nicht das, was ich suche.“ Diese Worte hatten sich in ihn eingebrannt, genau wie die seines Vaters. Er hatte immer versucht, diese Stimmen zu ignorieren, doch tief in seinem Inneren glaubte er ihnen.
Doch warum hatte ihn das Tor gewählt?
„Wenn dieses Tor so schlau ist,“ murmelte er vor sich hin, „warum hat es nicht jemanden geholt, der tatsächlich Ahnung hat?“
Kael’thar schien ihn gehört zu haben, denn der Drache blieb erneut stehen und sah über seine Schulter zurück. „Du wiederholst dieselbe Frage,“ sagte er ruhig. „Und sie wird dich nicht weiterbringen. Die Antwort liegt nicht in deinem Verstand, Danny. Sie liegt in deinem Herzen.“
Danny runzelte die Stirn. „Das klingt wie aus einem schlechten Film.“
Kael’thar drehte sich ganz zu ihm um, sein massiver Kopf senkte sich, sodass Danny ihm in die Augen sehen musste. „Ich habe viele Menschen gesehen, die durch das Tor kamen. Einige waren weise, andere stark. Einige glaubten an sich, andere zweifelten. Doch es waren nie die Stärksten oder Klügsten, die überlebten. Es waren diejenigen, die den Mut fanden, ihre Schwächen anzunehmen und trotzdem weiterzugehen.“
„Und wenn ich keine Schwächen habe, die ich überwinden kann?“ entgegnete Danny trocken.
Kael’thar ließ ein tiefes Grollen hören, das mehr wie ein Lachen klang. „Jeder hat Schwächen, Danny. Die Frage ist nur, ob du den Mut hast, sie zu akzeptieren und zu lernen, mit ihnen zu leben.“
Danny schwieg. Er wollte widersprechen, wollte dem Drachen erklären, dass er nur ein Kerl war, der es gerade so durchs Leben schaffte. Doch die Worte blieben ihm im Hals stecken.
Ein Teil von ihm wusste, dass Kael’thar recht hatte. Vielleicht war es an der Zeit, aufzuhören, vor sich selbst wegzulaufen.
Doch war er dazu bereit?
Während sie durch die unendlich wirkende Ebene gingen, fielen Danny weitere Erinnerungen ein – Bruchstücke seiner Kindheit und Jugend, die sich wie verblasste Bilder vor ihm auftürmten. Es war, als würde diese fremde Welt all die Dinge ausgraben, die er jahrelang unter Verschluss gehalten hatte.
Er dachte an seine Mutter. Sie war immer da gewesen, immer bemüht, immer kämpfend, um ihn durchzubringen. Nach der Trennung von seinem Vater hatte sie zwei Jobs angenommen – tagsüber an der Kasse in einem Supermarkt, nachts in einem kleinen Diner in der Stadt. Es war nicht viel, aber sie hatte es irgendwie geschafft, dass sie nie Hunger leiden mussten.
Doch Danny hatte den Schmerz in ihren Augen gesehen.
Einmal, er musste etwa zwölf gewesen sein, hatte er sie spät in der Nacht weinen hören. Sie hatte gedacht, er würde schlafen, aber ihre leisen Schluchzer hatten ihn geweckt. Als er durch die Tür seines Zimmers spähte, hatte er sie in der Küche gesehen, mit dem Kopf in den Händen und einer unbezahlten Rechnung auf dem Tisch vor ihr.
Er hatte sich zurück ins Bett gelegt und die Decke über den Kopf gezogen, zu jung, um zu verstehen, wie man mit so etwas umging, aber alt genug, um den Schmerz zu spüren.
In der Schule hatte er versucht, ein guter Sohn zu sein, aber es war nie genug gewesen. Mathe war ein Albtraum, Sport eine endlose Quelle von Demütigungen. Seine Lehrer schienen ihn kaum wahrzunehmen, und seine Mitschüler ignorierten ihn, außer wenn sie jemanden brauchten, der für sie abschrieb oder das Mittagessen teilte.
Er hatte sich an seinen Schreibtisch gesetzt, Hausaufgaben gemacht, gelernt – alles, um seiner Mutter zu zeigen, dass ihre Opfer nicht umsonst waren. Aber selbst dann hatte er immer das Gefühl gehabt, dass er sie enttäuschte.
Und dann war da noch der Tag, an dem sie zusammengebrochen war.
Er war fünfzehn gewesen, und sie hatte gerade ihre Schicht im Diner beendet. Sie war nach Hause gekommen, hatte ihm ein schwaches Lächeln geschenkt und gesagt, sie müsse sich kurz hinlegen. Er hatte sie später bewusstlos auf dem Boden ihres Zimmers gefunden.
Der Arzt hatte gesagt, es sei Erschöpfung gewesen, kombiniert mit Dehydrierung und Stress. „Ihr Körper hält das nicht ewig aus,“ hatte er gesagt, als ob Danny das nicht längst wusste.
Von da an hatte sich alles verändert. Sie hatte einen ihrer Jobs aufgegeben, aber das bedeutete weniger Geld und mehr unbezahlte Rechnungen. Danny hatte sich einen Nebenjob gesucht, während er noch zur Schule ging, um zu helfen, aber es war nie genug gewesen. Nie genug.
„Nie genug,“ flüsterte er vor sich hin und ballte die Fäuste.
Kael’thar warf ihm einen kurzen Blick zu, sagte aber nichts.
Danny dachte an die Nächte, in denen er wach gelegen und sich gefragt hatte, warum sein Vater gegangen war. Hatte er seine Mutter verlassen, weil sie nicht genug war? Oder war es wegen Danny? Hatte er von Anfang an gewusst, dass er ein Sohn war, der nichts Besonderes erreichen würde?
Mit achtzehn war er ausgezogen, in eine winzige Wohnung, kaum größer als das Zimmer, das er bei seiner Mutter gehabt hatte. Er hatte gedacht, dass er endlich unabhängig sein würde, dass er endlich beweisen konnte, dass er allein zurechtkam. Doch die Einsamkeit war überwältigend gewesen.
Er hatte sich immer gefragt, was falsch an ihm war. Warum er nicht wie die anderen Menschen zu sein schien – voller Selbstvertrauen, voller Träume. Er hatte sich mit der Zeit damit abgefunden, dass er ein Niemand war, ein Name in der Menge, ein Gesicht, das niemand bemerken würde.
Doch jetzt war er hier, in einer Welt voller Drachen, dunkler Kreaturen und Elementarenergie. Und plötzlich sollte er wichtig sein.
„Das ergibt keinen Sinn,“ murmelte er, mehr zu sich selbst als zu Kael’thar.
„Deine Vergangenheit ist nicht das, was dich definiert,“ sagte der Drache, ohne sich umzudrehen. Seine Stimme war ruhig, fast sanft. „Es ist das, was du mit ihr machst.“
Danny blieb stehen. „Was, wenn ich nichts mit ihr machen will?“ fragte er, seine Stimme scharf. „Was, wenn ich einfach nur mein Leben zurück will? Ein normales Leben, ohne all das hier?“
Kael’thar hielt ebenfalls an und drehte sich langsam zu ihm um. „Das Leben, das du hattest, hat dich nicht glücklich gemacht. Es hat dich eingeengt. Vielleicht ist das Tor nicht nur eine Bürde, Danny. Vielleicht ist es eine Chance.“
Danny starrte den Drachen an, unfähig zu antworten. Tief in seinem Inneren wusste er, dass Kael’thar recht hatte. Aber das machte es nicht leichter, die Stimme in seinem Kopf zum Schweigen zu bringen, die immer wieder flüsterte:„Du bist nicht genug.“
Danny atmete tief ein. Die kühle Luft der fremden Welt fühlte sich in seiner Lunge anders an – rein, aber irgendwie schwer. Der Gedanke, dass er vielleicht nicht zurückkehren konnte, begann sich in ihm zu verfestigen, und zum ersten Mal ließ er ihn zu, anstatt ihn wegzuschieben.
Kael’thars Worte hallten in ihm wider:„Vielleicht ist das Tor nicht nur eine Bürde, Danny. Vielleicht ist es eine Chance.“
Eine Chance.
Er dachte an die Momente, in denen er gezögert hatte, an die Gelegenheiten, die er verstreichen ließ, weil er dachte, er würde sowieso scheitern. Ein Bewerbungsgespräch, für das er sich nicht traute, den letzten Schritt zu machen. Ein Freund, den er aus den Augen verloren hatte, weil er Angst hatte, nicht genug zu geben. Eine Beziehung, die zerbrach, weil er nicht glaubte, dass er sie halten konnte.
Was, wenn dieses Tor all das ändern konnte? Was, wenn das Tor nicht falsch lag?
Kael’thar ging weiter, sein massiver Körper bewegte sich fast lautlos über den schimmernden Boden. Danny blieb für einen Moment zurück, stand still und blickte auf seine Hände. Sie zitterten leicht, aber nicht vor Angst – vor Adrenalin.
„Vielleicht bin ich nicht genug,“ flüsterte er zu sich selbst. „Aber vielleicht kann ich es werden.“
Mit diesem Gedanken setzte er sich in Bewegung, seine Schritte wurden sicherer, gleichmäßiger.
Kael’thar bemerkte den Unterschied sofort, ohne zurückzuschauen. „Dein Blick hat sich verändert,“ sagte er.
Danny holte tief Luft. „Ich glaube, ich bin es einfach leid, ständig wegzulaufen.“
Der Drache blieb stehen und drehte seinen Kopf zu ihm. In seinen goldenen Augen lag eine Mischung aus Neugier und Anerkennung. „Das ist der erste Schritt, Danny.“
„Der erste Schritt wohin?“ fragte er.
„Zu dir selbst,“ antwortete Kael’thar.
Danny schnaubte. Es klang wie etwas aus einem abgedroschenen Selbsthilfebuch, aber es fühlte sich trotzdem richtig an. Vielleicht war das Tor tatsächlich eine Gelegenheit. Vielleicht war das hier sein Moment, endlich herauszufinden, ob er wirklich zu mehr fähig war, als er selbst geglaubt hatte.
Als sie einen Hügel erklommen, bot sich Danny eine Aussicht, die ihm den Atem raubte. Vor ihnen erstreckte sich ein endloses Tal, erfüllt von seltsamen Lichtern, die wie Glühwürmchen in der Dunkelheit tanzten. Überall wuchsen gigantische Kristalle aus dem Boden, die in allen Farben des Regenbogens schimmerten.
„Das ist das Herz des Drachenreichs,“ sagte Kael’thar. „Von hier aus wirst du deinen Weg beginnen.“
Danny spürte, wie etwas in ihm zu pochen begann – nicht Angst, sondern eine Art Erwartung. Zum ersten Mal fragte er sich, waseraus dieser Reise machen konnte, anstatt nur an all die Dinge zu denken, die er nicht war.
„Und was jetzt?“ fragte er schließlich.
Kael’thar lächelte, soweit ein Drache das konnte. „Jetzt wirst du deine ersten Prüfungen bestehen müssen. Aber diesmal wirst du nicht allein sein.“
Danny wollte schon fragen, was er damit meinte, als sich plötzlich der Himmel veränderte. Wolken, die wie schwarzer Rauch aussahen, wirbelten zusammen und formten einen dunklen, bedrohlichen Wirbel über dem Tal. Ein tiefes Dröhnen erfüllte die Luft, und aus den Schatten lösten sich dunkle Gestalten – Kreaturen, die aussahen wie lebendige Albträume.
„Das Tor hat dich nicht ohne Grund hierher geschickt, Danny,“ sagte Kael’thar ruhig. „Jetzt wirst du es beweisen müssen.“
Danny spürte, wie die Zweifel zurückzukehren drohten, aber er drückte sie entschlossen zurück. Er wusste nicht, wie er kämpfen oder sich verteidigen sollte, aber er wusste, dass er eines tun konnte: versuchen.
Vielleicht war das genug, um anzufangen.
Die Kreaturen aus den Schatten bewegten sich lautlos und mit einer unheimlichen Anmut, ihre Formen ständig im Wandel. Mal hatten sie die Konturen von Wölfen mit glühenden Augen, dann wurden sie zu schattenhaften, humanoiden Gestalten, deren Gesichter leer und bedrohlich waren.
Danny wich einen Schritt zurück. Sein Herz raste, aber er zwang sich, nicht in Panik zu verfallen.
„Das sind die Dämmerwächter,“ erklärte Kael’thar ruhig. „Sie sind keine Feinde im eigentlichen Sinne. Sie testen dich – deine Stärke, deinen Willen und deinen Glauben an dich selbst.“
„Testen?“ Danny lachte nervös. „Das sieht eher aus, als würden sie mich töten wollen.“
Kael’thar schnaubte, eine kleine Rauchwolke entwich seiner Nase. „Wenn du an ihnen scheiterst, werden sie dich in die Schatten ziehen. Doch ich glaube, du wirst bestehen. Nimm dies als eine Chance, deine Zweifel zu konfrontieren.“
Bevor Danny fragen konnte, wie er diese Prüfung überstehen sollte, bewegte sich die erste Kreatur auf ihn zu. Ihr Körper bestand aus nichts als schwarzem Nebel, doch ihre Präsenz war überwältigend.
„Was soll ich tun?“ rief er.
„Finde es heraus,“ sagte Kael’thar nur, ohne sich zu bewegen.
Danny fühlte, wie Panik in ihm aufstieg. Seine Hände zitterten, sein Atem wurde flach. Doch dann erinnerte er sich an die Worte des Drachen.„Vielleicht ist das Tor eine Chance.“
Mit klopfendem Herzen schloss er die Augen und zwang sich, sich zu konzentrieren.
Die Schattenkreatur kam näher, ihre Umrisse wurden schärfer, und plötzlich war sie nur noch wenige Schritte entfernt. Danny öffnete die Augen und hob instinktiv die Hände, als wolle er sie abwehren. Zu seiner Überraschung spürte er, wie etwas in ihm erwachte – eine Energie, die ihm völlig fremd war.
Ein warmes, goldenes Licht entwich seinen Händen und traf die Kreatur. Diese schrie auf, ein schrilles, unmenschliches Geräusch, und zog sich zurück.
Danny starrte ungläubig auf seine Hände. „Was … war das?“
Kael’thar neigte den Kopf. „Das, Danny, war die Essenz deiner Seele. Sie manifestiert sich, wenn du an dich selbst glaubst.“
„Essenz meiner Seele?“ Er lachte unsicher. „Das klingt wie etwas aus einem Fantasy-Roman.“
„Das ist kein Roman, Junge,“ entgegnete Kael’thar mit einem Funkeln in den Augen. „Das ist deine Realität.“
Danny konnte die Wärme, die von seinen Händen ausging, noch immer spüren. Es fühlte sich an, als hätte etwas tief in ihm geschlummert und war nun erwacht. Die Schattenkreatur hatte sich zurückgezogen, aber sie war nicht besiegt – sie lauerte, um erneut anzugreifen.
Kael’thar beobachtete ihn aufmerksam. „Die Energie, die du spürst, ist ein Teil von dir, Danny. Sie gehört zu deinem Wesen, auch wenn du sie bisher nie gekannt hast.“
Danny musterte seine Hände, suchte nach einer Erklärung. „Aber wie? Wie mache ich das? Ich habe nie … gelernt, sowas zu tun.“
„Das musst du auch nicht,“ erwiderte der Drache. „Die Fähigkeit ist instinktiv. Sie entspringt deinem Willen und deiner Entschlossenheit.“
Die Kreatur vor ihm begann sich zu bewegen, während weitere aus den Schatten auftauchten. Es waren jetzt drei von ihnen, die ihn umkreisten, ihre Formen flimmernd und verzerrt. Ihre bloße Anwesenheit schien die Luft schwerer zu machen, als würde sie gegen seine Gedanken drücken und versuchen, ihn in Furcht zu lähmen.
Doch Danny kämpfte dagegen an.
Er schloss die Augen und konzentrierte sich. Er versuchte, dieses Gefühl von Wärme und Energie wiederzufinden. Tief in seinem Inneren suchte er nach dem Funken, der ihm zuvor geholfen hatte.
Die Stimmen seiner Zweifel flüsterten erneut:„Du bist nicht stark genug. Du wirst scheitern. Warum versuchst du es überhaupt?“
Danny biss die Zähne zusammen. Diese Stimmen hatten ihn sein Leben lang verfolgt. Sie waren es, die ihn zurückgehalten hatten, die ihn in seiner Komfortzone gefangen hielten.
„Nicht diesmal,“ murmelte er.
Er öffnete die Augen, und diesmal war die Wärme in ihm stärker. Seine Hände begannen, in einem goldenen Licht zu glühen, das immer heller wurde, bis es die dunklen Kreaturen blendete.
„Bleib fokussiert,“ rief Kael’thar. „Diese Energie ist mächtig, aber sie erfordert Kontrolle. Lass dich nicht von Emotionen überwältigen – nutze sie.“
Danny nickte und hob die Hände. Das Licht wurde zu einem pulsierenden Strahl, der auf die erste Kreatur traf. Sie schrie erneut auf und löste sich in dichten, schwarzen Nebel auf. Die anderen beiden zögerten, aber nur für einen Moment.
Eine von ihnen stürzte vor, und Danny reagierte schneller, als er dachte. Er drehte sich, hob eine Hand und spürte, wie die Energie in einer Welle von ihm ausging. Die Kreatur wurde zurückgeschleudert und verschwand ebenfalls.
Doch bevor er die letzte angreifen konnte, fühlte er plötzlich ein Stechen in seinem Kopf. Der goldene Glanz in seinen Händen flackerte, und er spürte, wie die Energie in ihm nachließ.
„Was passiert?“ rief er, die Panik kehrte zurück.
„Du bist unerfahren,“ sagte Kael’thar ruhig. „Dein Körper ist noch nicht daran gewöhnt, diese Kraft zu nutzen. Ruhe dich aus – du hast genug getan.“
Die letzte Kreatur zog sich zurück, verschwand in der Dunkelheit, als würde sie auf Kael’thars Worte reagieren.
Danny ließ die Hände sinken, seine Knie wurden weich, und er musste sich an einem Felsen abstützen. „Das … war … anstrengender, als ich dachte,“ keuchte er.
Kael’thar trat näher, seine goldenen Augen musterten ihn eindringlich. „Das war ein beeindruckender Anfang, Danny. Du hast gezeigt, dass du die Essenz in dir tragen kannst. Aber das war nur der erste Schritt. Es gibt noch so viel mehr, was du lernen musst.“
Danny schaute den Drachen an, noch immer außer Atem, aber in ihm regte sich etwas Neues: Stolz. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er nicht versagt. Zum ersten Mal hatte er etwas getan, das wirklich zählte.
„Also,“ sagte er schließlich, ein schwaches Lächeln auf den Lippen, „wann fangen wir mit dem Training an?“
Kael’thar ließ ein leises Grollen hören, das fast wie ein Lachen klang. „Sehr bald, Danny. Sehr bald.“
Laden Sie die MangaToon APP im App Store und Google Play herunter