4. Der Symptomatische Freund

Plötzlich versuchte sie ihn wegzudrücken, ein durchdringender Schrei entfuhr ihr.

In diesem Moment flatterte ein großer Fledermaus durch den engen Eingang der Höhle. Noch in der Luft begann sich ihre Gestalt zu verändern, zu wachsen, sich in die eines großen, schlanken Mannes mit langem, wallendem Haar zu verwandeln. Er landete geräuschlos auf den Felsen und schüttelte leicht seinen ebenso schwarzen Mantel aus, genau wie der, in den Vivien gehüllt war.

Seine Augen, scharf und amüsiert, fielen sofort auf die Szene vor ihm: Dashira, über die zitternde Gestalt des Mädchens gebeugt, seine Lippen an ihrem Hals, ihr Blut auf seiner Haut.

"Oooooooh, Dashira!" rief der Neuankömmling mit einer Stimme, die vor spöttischer Belustigung nur so triefte. "Ich hätte nie gedacht, dass du so ein Romantiker bist! Ein abgelegenes Felsversteck, eine zarte menschliche Gefährtin... ganz der Poet."

Dashira hob kaum den Kopf. Ein leises, warnendes Knurren war in seiner Kehle zu hören. Seine Zunge fuhr fort, einen blutigen Streifen über ihre Wunde zu lecken, nicht zärtlich, sondern besitzergreifend und praktisch, um den Fluss des Blutes zu stillen. Er drückte Vivien fester gegen den Fels, als sie unter ihm zuckte.

"Sie ist schwach", zischte Dashira, ohne sich umzudrehen. Seine Worte waren an den anderen Vampir gerichtet, aber seine Augen blieben auf seiner Beute fixiert. "Ihr Puls flattert wie ein gefangener Vogel. Jeder weitere Blutverlust wird sie töten."

"Na und?" zuckte der langhaarige Vampir die Achseln und lehnte sich lässig gegen die Höhlenwand. "Es wimmelt nur so von ihnen. Eine weniger, eine mehr... was macht das für einen Unterschied? Sie sieht doch recht gewöhnlich aus."

"Sie ist *meine* Beute", erwiderte Dashira mit einem Unterton von endgültiger Autorität. "Meine Entscheidung. Mein Vorrat. Rühr sie nicht an."

"Vorrat?" lachte der andere. "Siehst du das an? Wie praktisch. Und was, wenn ich mir einfach eine andere hole? Eine mit mehr...?"

"Dann tu das. Verschwinde." Dashiras Blick war eisig. Er beugte sich wieder zu Komis Hals hinab, nicht um weiter zu trinken, sondern um die Wunde mit einer seltsamen, fast klinischen Konzentration zu mustern. Seine Finger fuhren über ihren schlaffen Arm, um ihren schwachen Puls zu fühlen.

Der langhaarige Vampir beobachtete ihn mit neu erwachtem, zynischem Interesse. "Du nimmst das ja sehr ernst, mein Freund. Das ist nicht deine Art. Normalerweise lässt du sie liegen, wenn du satt bist. Was ist an dieser hier so besonders? Riecht sie süßer?"

Dashiara ignorierte die Fragen. "Sie braucht mehr von der Mischung. Die, die ich für sie braue. Sonst überlebt sie die Nacht nicht."

"Ah, *deshalb* also!" rief der Vampir aus, als hätte sich ihm ein großes Rätsel gelöst. "Du spielst den Apotheker für deine eigene Mahlzeit. Wie rührend. Du willst sie am Leben erhalten. Für später." Ein breites, scharfzahniges Grinsen erschien auf seinem Gesicht. "Du züchtest sie dir!"

Ein weiteres, schwaches Stöhnen entfuhr Vivien. Ihre Augenlider flatterten, aber sie schaffte es nicht, sie zu öffnen. Ihre Haut war leichenblass.

"Siehst du?" sagte Dashira mit einer Stimme, die fast wie ein Triumph klang, aber ohne jede Wärme. "Sie kollabiert. Dein lächerliches Geschwätz hat sie nur noch mehr erschöpft. Jetzt geh. Hol mir die Wurzeln, die ich gesammelt habe. Sie sind in einer Nische am hinteren Ende der Höhle."

Der langhaarige Vampir rollte die Augen, aber ein Funken von Neugierde siegte über seine Abneigung. "Wurzeln. Wie eklig. Für deine kleine menschliche Puppe." Er schüttelte den Kopf, drehte sich um und schwebte geräuschlos in die dunklen Tiefen der Höhle davon.

Als sie allein waren, lockerte Dashira seinen Griff ein wenig. Seine kalten Finger strich über Viviens Stirn, eine Geste, die seltsam mechanisch und völlig entkoppelt von jeder echten Zuneigung wirkte. Sie war ein Werkzeug, ein Objekt, dessen Erhaltung ihm, aus welchem Grund auch immer, wichtig geworden war.

"Du stirbst nicht", flüsterte er ihr ins Ohr, eine kalte, harte Feststellung, kein Trost. "Noch nicht. Ich erlaube es nicht."

Ihre einzige Antwort war ein flacher, unregelmäßiger Atemzug. Die Dunkelheit der Höhle schien sich um sie zusammenzuziehen, erfüllt von dem metallischen Geruch von Blut und der unheilvollen Präsenz der beiden Kreaturen, von denen ihr Schicksal nun abhing.

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