Kapitel 2: Vertrauen im Fadenkreuz

Der Regen war längst verklungen, doch in Hayatos Brust tobte ein Sturm. Die Ereignisse der Nacht hallten in seinem Kopf wider – die Explosion, der Kampf, Aikos Kuss. Und doch… kein Moment der Ruhe.

Das Versteck, in dem sie Zuflucht gefunden hatten, war ein leerstehender Lagerkomplex am Rande von Akihabara. Betonwände, flackerndes Licht, Kameras tot. Für eine Nacht reichte es. Vielleicht.

Hayato stand am Fenster, seine Augen durchdrangen die Dunkelheit. Aiko saß auf einem der zusammengekrachten Metallregale, ihre Jacke über die Schultern gelegt, der Datenkristall fest umklammert.

„Du hast nicht erzählt, was du noch weißt über dieses Projekt“, sagte Hayato, ohne sie anzusehen.

Aiko seufzte leise. „Es war nie als Waffe gedacht. Ursprünglich sollte es helfen, traumatisierten Patienten Gefühle zurückzugeben. Doch dann... haben sie es verdreht. Sie fanden heraus, dass man damit nicht nur Gefühle geben, sondern auch nehmen kann.“

„Emotionale Kontrolle...“, murmelte Hayato. „Gedankenkontrolle durch das Herz.“

Sie nickte. „Shinkai hat mit Menschen experimentiert. Ich war eine von ihnen. Ich habe es lange nicht gewusst. Aber als ich es erfuhr... bin ich gegangen.“

Stille legte sich über den Raum.

Dann drehte sich Hayato langsam zu ihr. „Und warum hast du mich gesucht?“

Aikos Blick war fest, beinahe trotzig. „Weil du bekannt bist. Der 'Geist von Kage no Hana'. Der Junge ohne Gefühle. Ich dachte… wenn jemand dem Projekt widerstehen kann, dann du.“

Hayato lachte trocken. „Ironisch, nicht wahr? Gerade du bist es, die Gefühle in mir weckt.“

Sie senkte den Blick. „Ich weiß. Das macht mir mehr Angst als alle Agenten, die uns jagen.“

Ein Geräusch. Leise. Kaum hörbar.

Hayato hob die Hand. Bewegung im Nordflur. Er war in Sekunden am Ausgang, Waffen bereit. Aiko war direkt hinter ihm.

„Drohnen… zwei Stück“, flüsterte sie.

„Verfolgungssender“, knurrte Hayato. „Sie haben uns markiert.“

„Was jetzt?“

„Wir teilen uns auf. Ich lenke sie ab – du bringst den Kristall zu dieser Adresse.“ Er zog einen kleinen Zettel aus der Innentasche seiner Jacke.

Aiko schüttelte heftig den Kopf. „Nein. Wir bleiben zusammen.“

„Das ist keine Abstimmung.“

„Dann hör auf, ein Soldat zu sein, und fang an, ein Mensch zu sein!“

Er hielt inne. Ihre Worte trafen ihn. Tief.

Dann nickte er. „Fein. Aber wir kämpfen als Team.“

Die Drohnen rasten durch das Gebäude, ihre rot leuchtenden Sensoren tasteten die Flure ab. Hayato aktivierte eine Schallgranate, schleuderte sie hinter die Trennwand – ein kreischender Knall – die erste Drohne stürzte brennend zu Boden.

Aiko zielte präzise mit ihrer Pistole, ein einzelner Schuss – die zweite Drohne explodierte in einem Funkenmeer. Ihr Atem ging schwer, doch ihre Augen funkelten.

„Nicht schlecht“, sagte Hayato.

„Du bist nicht der Einzige mit Ausbildung“, konterte sie, leicht grinsend.

Später, in einer dunklen Seitengasse, suchten sie Schutz unter einem Balkon. Hayato prüfte sein Gerät. „Sie haben unsere Position nicht mehr. Wir haben einen Vorsprung von zehn Minuten.“

Aiko schloss kurz die Augen. „Zehn Minuten… fühlt sich wie ein halbes Leben an.“

Er sah sie an. Ihre Wangen waren schmutzig, ein kleiner Schnitt zierte ihre Stirn, doch sie war schön. Stark. Verletzlich.

„Du bist mutig“, sagte er leise.

„Ich habe keine Wahl.“

„Doch, die hast du. Du könntest einfach aufgeben. Weglaufen. Stattdessen kämpfst du.“

Sie lächelte schwach. „Und du? Warum kämpfst du?“

Hayato antwortete nicht sofort. Dann flüsterte er: „Weil ich will, dass jemand wie du eine Zukunft hat.“

Sie erreichten das alte Technikviertel. Dort wartete ein geheimer Unterschlupf der Kage no Hana – „Nebelpunkt C“. Der Eingang war versteckt hinter einem Verkaufsautomaten. Hayato scannte seinen Iriscode. Das Tor glitt auf.

Drinnen: Stahltüren, leise sirrende Bildschirme, Waffen an den Wänden. Sicher. Für den Moment.

Aiko ließ sich auf die Bank fallen, erschöpft. Hayato schloss die Tür, überprüfte das System.

Dann kam er zu ihr. „Du hast Fieber.“

„Ich bin okay.“

„Du bist nicht okay.“ Er legte seine Hand auf ihre Stirn. Sie war glühend.

„Verdammt. Du brauchst Ruhe.“

Er half ihr auf ein improvisiertes Feldbett. Ihre Finger griffen nach seinem Ärmel. „Bleib bei mir.“

Er zögerte. Dann setzte er sich neben sie. „Ich gehe erst, wenn du schläfst.“

„Versprochen?“

„Versprochen.“

Sie schlief ein. Unruhig. Murmelte Dinge. Namen. Tränen flossen. Hayato sah sie lange an.

„Du bist keine Waffe“, flüsterte er. „Du bist das, wofür ich kämpfen will.“

Er schwor sich, sie zu beschützen – vor Shinkai, vor Kage no Hana, vor sich selbst.

Denn zum ersten Mal hatte er etwas zu verlieren.

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