Der letzte Vorhang

Die Nacht war kalt, und die Stadt lag unter einem dichten Schleier aus Regen und Nebel. Ayla hatte Daniel ein letztes Mal getroffen, obwohl alles in ihr geschrien hatte, dass sie es nicht tun sollte. Sie wusste, dass dies das Ende sein musste – für beide.

Daniel hatte es gespürt. Er saß auf seinem Ledersessel, ein Glas Whiskey in der Hand, während er sie mit einer Mischung aus Neugier und Vorsicht betrachtete. „Du bist heute anders“, bemerkte er leise.

„Ich bin müde, Daniel“, sagte Ayla. Es war das erste Mal, dass ihre Stimme so ruhig klang, fast gelöst.

Er lehnte sich zurück, doch die Spannung in seinen Schultern verriet ihn. „Das hast du schon einmal gesagt. Und trotzdem bist du hier.“

„Weil ich heute das letzte Mal hier bin.“

Für einen Moment war nur das Prasseln des Regens zu hören, der gegen die Fenster schlug. Daniels Augen wurden schmal, seine Fassade aus Selbstsicherheit begann zu bröckeln.

„Du kannst mich nicht verlassen“, sagte er schließlich, seine Stimme tiefer und kälter als sonst.

„Doch“, flüsterte Ayla. „Und diesmal tue ich es nicht für dich, sondern für mich.“

Die Entscheidung

Daniel versuchte, die Kontrolle zu behalten, doch sein Inneres war ein Sturm. Sie konnte es an der Art sehen, wie er das Glas in seiner Hand drehte, an der Anspannung in seinem Kiefer.

„Du verstehst nicht, was du da sagst“, begann er, doch Ayla unterbrach ihn.

„Doch, Daniel. Ich verstehe es besser als du. Wir beide zerstören uns gegenseitig. Und ich kann so nicht weiterleben.“

„Du lebst wegen mir!“ Seine Stimme wurde lauter, schärfer, voller Verzweiflung. „Ich habe dir gezeigt, wer du bist. Ohne mich wärst du nichts!“

„Vielleicht“, sagte Ayla und stand auf. „Aber ich bin bereit, dieses Risiko einzugehen.“

Daniel sprang auf und packte sie am Arm, seine Augen dunkel und unberechenbar. „Du wirst es nicht schaffen. Du brauchst mich, Sophie.“

„Und was, wenn ich es nicht schaffe?“ Ihre Stimme war leise, aber fest. „Dann ist das meine Entscheidung. Nicht deine.“

 Der Bruch

Als Ayla die Tür hinter sich schloss, fühlte sie, wie die Last von Jahren der Abhängigkeit auf sie niederging. Sie hatte ihn geliebt – und sie hasste ihn. Sie wusste, dass sie nicht einfach gehen konnte, ohne etwas zurückzulassen.

In der Wohnung hinter ihr blieb Daniel zurück, allein mit der Erkenntnis, dass er sie tatsächlich verloren hatte. Zum ersten Mal seit Jahren fühlte er etwas, das er längst vergessen hatte: Hilflosigkeit.

Er griff nach seinem Telefon, wählte ihre Nummer, aber es ging nur die Mailbox ran. Seine Hand begann zu zittern, als er das Gerät auf den Boden warf, das Glas zerbrach und die Scherben unter seinen Füßen knirschten.

„Du kannst nicht einfach gehen“, murmelte er zu sich selbst, während die Dunkelheit um ihn herum dichter wurde.

Das Opfer

Es war tief in der Nacht, als Ayla plötzlich ein Klopfen an ihrer Tür hörte. Sie wusste, wer es war, noch bevor sie öffnete. Daniel stand da, durchnässt vom Regen, seine Augen gerötet, als hätte er stundenlang nicht geblinzelt.

„Du kannst nicht so tun, als würde ich nicht existieren“, sagte er, seine Stimme ein zerbrechliches Flüstern.

Ayla schüttelte den Kopf. „Das tue ich nicht. Aber ich existiere auch ohne dich, Daniel.“

Er lachte bitter, dann trat er einen Schritt näher, bis sie seinen Atem auf ihrer Haut spüren konnte. „Nicht so, Ayla. Nicht so.“

Dann zog er ein Messer aus seiner Jacke.

Sophie erstarrte. „Daniel…“

„Du hast mich zerstört, Ayla“, sagte er, während eine Träne über seine Wange lief. „Und jetzt nehme ich den Teil von dir, den ich am meisten liebe, mit mir.“

Die Zeit schien stillzustehen, während Ayla zwischen Angst und Mitleid hin- und hergerissen war. Doch dann tat Daniel etwas, das sie nie erwartet hatte: Er drehte das Messer gegen sich selbst.

„Ich lasse dich frei“, flüsterte er, bevor er sich selbst die Klinge in die Brust rammte.

Freiheit oder Schuld?

Ayla stürzte zu ihm, ihre Hände zitternd, während sie versuchte, das Blut zu stoppen, das aus seiner Wunde floss. „Warum?“ schrie sie, Tränen strömten über ihr Gesicht.

Daniel lächelte schwach, seine Augen halb geschlossen. „Weil du Recht hattest… Es gibt kein ‚uns‘ mehr.“

Als die Sirenen der Ambulanz in der Ferne heulten, hielt Ayla ihn in ihren Armen, während die Dunkelheit sich endgültig über ihn senkte.

Daniel war fort, und mit ihm der Teil von Ayla, den er kontrolliert hatte. Doch die Narben, die er hinterlassen hatte, würden bleiben – als Mahnmal für die zerstörerische Kraft von Besessenheit, die Liebe zu sein vorgab.

Monate später saß Ayla in einem Café und blickte aus dem Fenster. Der Schmerz war noch da, doch er fühlte sich anders an. Wie ein Gewicht, das sie langsam tragen lernte.

Daniels Schatten war immer noch ein Teil von ihr, aber sie wusste, dass sie eines Tages ohne ihn leben könnte.

Manchmal fragte sie sich, ob er Frieden gefunden hatte. Doch dann dachte sie an seine letzten Worte und wusste: Daniel hätte nie losgelassen, wenn sie es nicht für ihn getan hätte.

Und so begann sie, ihre Freiheit Stück für Stück zurückzugewinnen – in einer Welt, die endlich ihr allein gehörte.

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